Denis Côté ist Filmkritiker, Dokumentarfilmer und unvorhersehbar. Er wurde zweimal in Locarno ausgezeichnet, hat letztes Jahr hier in Berlin mit dem verblüffenden Tier-Mensch-Dokumentarfilm Bestiaire Furore gemacht. Und jetzt ist sein neuer Spielfilm der bisher interessanteste Beitrag im aktuellen Wettbewerb. Bizarr, überraschend, bösartig und liebevoll.
Im Zentrum stehen zwei Frauen, beide aus dem Gefängnis entlassen, und mehr oder weniger auf dem Rückzug in einem abgelegenen Haus in Kanada. Pierrette Robitaille und Romane Bohringer sind hinreissend und herzerweichend. Ein Paar in Anziehung und Abstossung, mit stets wechselnder Abhängigkeit. Der Besitzer des Hauses ist ein Onkel von Vic, aber vollständig gelähmt und stumm im Rollstuhl. Eine imposante Erscheinung mit langen weissen Haaren und Bart, sitzt er wie Gott persönlich im Hintergrund und schaut zu. Bis er abtransportiert wird.
Die freundliche Nachbarin, welche Vic so schamlos anflirtet und ihr beim Anlegen eines Gartens hilft, entpuppt sich als alte Bekannte von Flo, welche ihrerseits auch immer wieder mal in der Bar des Ortes auf Männer aus ist.
Den Film nachzuerzählen würde sich verbieten, wenn es überhaupt möglich wäre. Er besteht aus immer wieder neu verwirrenden und doch seltsam bekannten Szenen und Dialogen. Jede Szene für sich geht perfekt auf, bloss hängt über dem Ganzen eine Twin Peaks-würdige dunkle Vergangenheit. Wollte man Côté ein stilistisches Vorbild unterschieben, wäre dies wahrscheinlich Roy Andersson mit Songs from the Second Floor. Aber auch viele der gewagteren und bizarreren kanadischen Filme der letzten Jahre klingen an. Und das liegt nicht nur am schier unglaublich unverständlichen Französisch, das die Frauen da reden.
Nachdem schon in Thomas Arslans Gold gestern eine Figur in eine dieser grauslichen Bärenfallen geraten ist, kommen die mörderischen Dinger in Côtés Film gleich in mehrfacher Ausführung zum Einsatz. Und im Gegensatz zu Arslan hat Côté eine verdiente Chance, dass bei ihm die Bärenfalle der Berlinale am Ende zuschnappt.