THE MAKING OF JESUS CHRIST von Luke Gasser

The Making of Jesus Christ
©jeridoo productions

Mit historisierender Alpen-Fantasy wie Anuk – Der Weg des Kriegers ging der Innerschweizer Rockmusiker und Filmemacher Luke Gasser unbeirrt den Weg des grössten Widerstands. Sein jüngstes Werk ist The Making of Jesus Christ – ein Dokumentarfilm.

Über einem flirrenden Musikteppich eine Frauenstimme: „Am Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott…“

Der Beginn des Johannes-Evangeliums. Ein ungewohnter, unerwarteter Anfang – für einen Luke-Gasser-Film. Der Musiker und filmische Autodidakt aus dem Kanton Obwalden erscheint uns Unterländern hin und wieder wie ein Findling, einer jener von eiszeitlichen Gletschern zurückgelassenen fremdartigen Felsbrocken. Dezidiert misstrauisch gegenüber jedem intellektuellen Gehabe, hielt er es bisher eher mit der Wucht der Mythen, der Rockmusik – und der entsprechenden Selbstinszenierung. Und auf genau diesem Weg nähert sich Luke Gasser nun der historischen Figur von Jesus Christus an.

Mit Jesus habe Gott sich selber in Szene gesetzt, erklärt Luke Gasser am Anfang seines Films. Und fragt sich, was damals wohl für ein Film abgelaufen sei. Jedenfalls habe man es verpasst, davon ein „Making of…“ zu machen.

Luke Gasser in 'The Making of Jesus Christ' ©jeridoo productions
Luke Gasser in ‚The Making of Jesus Christ‘ ©jeridoo productions

Genau das hat Gasser nachgeholt. In seinem The Making of Jesus Christ stellt er die Fragen des katholisch aufgewachsenen Skeptikers, die Fragen nach den historischen Fakten und der Wirkungsgeschichte Jesu. Er befragt Theologen, wie den renommierten kirchenkritischen Eugen Drewermann.

Aber – und dies ist eine weitere Überraschung – auch den holländischen Hollywood-Haudegen Paul Verhoeven. Der streitbare Regisseur von gehobenem Spielfilm-Trash wie Basic Instinct oder Robocop hat in der Tat ganz persönliche Ansichten zu Jesus als historischer Figur. Und Luke Gasser lauscht ihm in seiner Wohnung in Holland, ruhig und aufmerksam, von der Kamera eingefangen wie ein Jünger.

Überhaupt ist Luke Gasser immer wieder im Bild in seinem Film. Auf Spurensuche im heiligen Land, am Rande der Wüste, mit schweifendem Blick und unübersehbar mit seiner grossen Mähne.
Das hat seine Richtigkeit. Luke Gassers Suche nach Jesus ist ein dokumentarischer Essay, wie er selber sagt, eine persönliche Spurensuche. Und da ist es durchaus angebracht, wenn der Suchende, Fragende hin und wieder im Bild auftaucht.

The Making of Jesus Christ Luke Gasser 2

Dass er dabei einmal wie ein aufmerksam lauschender Jünger wirkt, dann wieder wie Jesus, der seinen Jüngern in der Wüste voranschreitet, liegt einerseits am Thema. Vor allem aber liegt es an Luke Gassers Vermittlungstechnik: So wie jeder Rockmusiker einen Teil seines selbstgeschaffenen mythischen Universums verkörpert, ist Gasser, der Filmer, sein eigener Kronzeuge in Sachen Authentizität.

Das mag spöttisch klingen, ist aber nicht so gemeint: Luke Gasser, der sich stets betont anti-intellektuell gibt, der für die Vorbereitung dieses Films Dutzende von Büchern gelesen (und eines geschrieben) hat, ist zugleich der Garant für Bodenständigkeit. Seine Fragen nach der historischen Wirklichkeit von Jesus, nach den Konsequenzen seines Wirkens und den politischen Kausalitäten im römisch besetzten Jerusalem des Jahres dreissig sind stets so gestellt, dass sie auch von seinem potentiellen Publikum kommen könnten.

So, wie sich Michael Moore in seinen politisch klar positionierten Dokumentarfilmen wie Bowling for Columbine als dauerquatschenden Mann der Strasse mit Baseball-Cap und Bierbauch inszeniert, so gibt Gasser den schweigenden Innerschweizer, den Mann, der sich zuerst seine Sache denkt und am Ende bloss die Quintessenz formuliert, so knapp und einfach wie möglich.
Das ist seine Künstler-Persönlichkeit, und die funktioniert für den Musiker wie auch für den Regisseur.

Bei der Inszenierung von The Making of Jesus Christ führen das Thema und der Ansatz, Experten zu befragen, zu einer eigenartigen Doppelung. Da ist der Luke Gasser im Bild, der schweigend in die Wüste blickt, oder seinen Gesprächspartnern gegenübersitzt. Und da ist der Mann, der als Erzähler die Fragen stellt, Fakten und Geschichten vorträgt.

The Making of Jesus Christ 2

Und dann sind da die „Reenactments“, mit Schauspielern historisierend, aber dialogfrei nachgestellte Szenen aus dem Leben Jesu. Inszenatorisch und von der Ausstattung her pendeln sie zwischen Bibel-Epos und Martin Scorseses sehr menschlicher Jesusdarstellung von The Last Temptation of Christ, weitgehend zurückhaltend gespielt. Bloss bei den Passionsszenen drifted Gasser ein ganz klein wenig in die Richtung von Mel Gibsons Schmerzensorgie von The Passion of the Christ.

Allerdings bleibt er natürlich auch damit in der Tradition der katholischen Ikonographie, bei den formal erstarrten Bildern aus dem 19. Jahrhundert, von der Dornenkrone bis zur Kreuzigung – und damit bei den Bildern, die auch in den Innerschweizer Kirchen seiner Jugend noch dominiert haben dürften.

Damit entsteht zwischen der bildhaften Inszenierung und den Interviewszenen eine Schere, eine Art Nüchternheitsgefälle, das eine eigenwillige Faszination entfaltet. Es wirkt, als ob der aufgeklärte Erwachsene Gasser den Bildern aus der Jugend und der Kindheit auf den Leib rücken würde.

Luke Gassers Film bringt weder neue Thesen noch neue Bilder; er stellt nicht einmal neue Fragen, sondern genau jene, die Gasser gestellt haben wollte. Alles in allem ist The Making of Jesus Christ eine sehr ernsthafte, von einem belesenen theologischen Laien für interessierte Laien gemachte, persönliche Suche nach historischen Fakten und ihren gesellschaftlichen Konsequenzen.

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