HIMMELFAHRTSKOMMANDO von Dennis Ledergerber

Walter Andreas Müller in 'Himmefahrtskommando' ©moviebizfilms
Walter Andreas Müller in ‚Himmefahrtskommando‘ ©moviebizfilms

Ein schlechter Film verschlingt, jedenfalls in der Schweiz, wo niemand absichtlich spekulativ und billig dreht, mindestens so viel Energie und Herzblut wie ein guter. Um so stärker schmerzt es dann, wenn das Resultat nicht hält, was sich alle Beteiligten davon versprochen haben.

Das Himmelfahrtskommando von Dennis Ledergerber ist tatsächlich eines. Die zugrundeliegende Novelle des Journalisten Stefan Millius hätte wohl tatsächlich das Zeug zur dürrenmattschen Schweizer Groteske gehabt. Bloss fehlt Ledergerber und Millius offensichtlich die Erfahrung für ein funktionierendes Drehbuch in Spielfilmlänge.

Der Plot ist einfach genug: Eine Splittergruppe einer US-Hippie-Christen-Sekte bringt einem kleinen Dorf am Walensee unverhofft Devisen, zunächst vor allem in Form von Miete für ein ohnehin leerstehendes Haus. Als allerdings der Kleinbus mit allen Sektenmitgliedern in die Luft fliegt, wird es kompliziert für die Profiteure im Dorf – und das sind letztlich fast alle.

Bumm gelaufen! ©moviebizfilms
Bumm! ©moviebizfilms

Ganz entfernt erinnert die Geschichte an Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“, insbesondere wenn die Verbandelungen der Dorfbewohner und ihre Lust auf das Geld der seltsamen Gäste ins Spiel kommen. Und der von Andrea Zogg gespielte Bauer mit seiner instinktiven Angst vor den Fremden, der gleichzeitig einen Arbeiter aus dem Osten beschäftigt, beherbergt und ausbeutet, ist eine Figur mit aktueller Sprengkraft.

Aber der Beschränkung auf das Machbare, ein Budget von rund 100’000 Franken, bezahlbare Spezialeffekte und die gleichzeitige Inszenierung von Laienschauspielern und Profis, hätte wohl eine längere und professionellere Drehbuchentwicklung vorangehen müssen. Wenn ein alter Fuchs wie Walter Andreas Müller (der, wie seine Kollegen, offenbar ohne Gage mitgewirkt hat) minutenlang die Szene beherrscht, allein mit seiner Mimik und seiner erprobten Art, auch idiotische Sätze wirkungsvoll von sich zu geben, wird leider gleichzeitig auch extrem deutlich, wenn das andere nicht beherrschen.

Überhaupt ist das Gefälle zwischen eingelöstem Anspruch und Absturz das grösste Handicap dieses Filmes. Wenn schon der Titelvorspann und dann auch die pseudokomplex verschachtelte Erzählstruktur Tarantino als Vorbild zitieren, dann wirkt es um so grotesker, wenn ausgedehnte Dialogszenen dann eben nicht an Tarantino erinnern, sondern an die Silvesteraufführung des Turnvereins.

Mit der Gegenüberstellung von Profidarstellern und Laien macht der Film eine ähnliche Schere auf wie überall sonst: Handwerk und Können trifft auf Hilflosigkeiten, die vom sichtlichen Enthusiasmus der Beteiligten alleine nicht wettgemacht werden können.

Philipp Kluckner, Andrea Zogg, Raphael Carlucci ©moviebizfilms
Philipp Kluckner, Andrea Zogg, Raphael Carlucci ©moviebizfilms

Dabei steckt unglaublich viel wirklich gute und verblüffende Detailarbeit in diesem Unternehmen. Die ausstatterische Ansiedlung im zeitlichen Niemandsland zwischen den 50er Jahren und der Gegenwart ist augesprochen hübsch und funktional. Wenn Walter Andreas Müllers Pöstler mit dem Velosolex unterwegs ist und einen Pöstlerhut von anno dazumal trägt, wenn der Polizist einen US-Cop-Deckel auf den Kopf hat, oder wenn alle Autoschilder unverfänglich standardisiert sind, dann tragen diese Kleinigkeiten viel zur Stimmung bei.

Gemessen am medialen Echo, das die Produktion vor allem in der heimischen Ecke seit Monaten begleitet, ist ein Achtungserfolg auf lokaler Ebene durchaus denkbar. Es gab schon andere Produktionen, wie etwa den Baselbieter Welthund, welche zu örtlichen Dauerbrennern wurden. Die Attraktion, welche von bekannten Drehorten, mitwirkenden Verwandten und Bekannten und der liebevollen Begleitung durch die lokalen Medien ausgeht, darf nicht unterschätzt werden. Im Prinzip ist der Satz „All Business is local“ auch beim Film durchaus gültig – wenn er beherzigt wird.

Beim Himmelfahrtskommando wirkt nun der grosse Deutschschweizer Start in vielen Kinos auf einmal zusammen mit der eindrücklichen Mund-zu-Mund-Kampagne der Macher als zweischneidiger Trumpf. So, wie der Film auftritt, wird er auch gemessen: Am Anspruch. Das Erzeugen einer Erwartungshaltung ist eine gefährliche Sache – das gilt auch für die persönlichen Erwartungen der Macher. Denen sei darum grundsätzlich einfach herzlich gratuliert zum Mut und der Energie.

Dass die Entstehungsgeschichte eines Film spannender ist, als das Endresultat, das ist ja auch ein Indiz dafür, dass da noch etliches an Potential drin steckt.

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