von Rolf Bächler
Der unabhängige Schweizer Animationsfilm, beziehungsweise das, was wir heute darunter verstehen, nahm seinen Anfang in den späten 50er- und den 60er-Jahren des 20.Jahrhunderts, um die Zeit, als auch Annecy auf der internationalen Bildfläche erschien. Abgesehen von ein paar Damen in “gemischten Doppeln” – Gisèle Ansorge, Eva Haas, Janine Suba, Nicole Perrin, u.a. – war er jedoch lange Zeit eine rein männliche Angelegenheit. Erst 1975 zeichnete Jacqueline Veuve, die weitherum geachtete, kürzlich verstorbene filmende Ethnografin, als erste Schweizerin für einen unabhängigen (d.h. aus eigenem Antrieb, weder im Auftrag noch an einer Schule produzierten) persönlichen Animationskurzfilm, ohne die Autorenschaft mit einem Mann zu teilen: Swiss Graffiti.
Das entschieden feministische Pamphlet, das sie mit der französisch-holländischen Animatorin Monique Renault als Komplizin realisierte, zeigte animierte Kreidezeichnungen auf der Betonwand eines öffentlichen Pissoirs, mit einem unsittlichen Wilhelm Tell in der Hauptrolle. Einer der seltenen Schweizer Animationsfilme, die aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen, wurde er seiner Zeit entsprechend als provokativ empfunden und stiess auch an internationalen Festivals auf Interesse (Oberhausen, u.a.). Als ihr einziger Ausflug in die Gefilde der Animation wurde das sechseinhalb-minütige Werk allerdings von Veuve selbst später aus ihrer eindrücklichen Filmografie verbannt, während Monique Renault in den Niederlanden immer noch ungebeugt und gleichen Geistes als Animatorin aktiv ist.