NIFFF 13: STOKER von Park Chan-wook

Matthew Goode, Nicole Kidman, Mia Wasikowska ©fox searchlight
Matthew Goode, Nicole Kidman, Mia Wasikowska © fox searchlight

Alice im Wunderland wird zur schmollenden Lolita in diesem ersten Hollywood-Film des Koreaners Park Chan-wook, Mia Wasikowska ist auf den ersten Blick kaum wiederzuerkennen mit den dunklen Haaren. Dabei waren es die Blondchen-Rollen wie jene der Alice, welche sie zu wenig gefordert hatten. In Stoker ist sie stark.

Der diesjährige NIFFF-Eröffnungsfilm hat seine Momente, insbesondere de letzte halbe Stunde zieht mächtig an. Aber schon gleich von Beginn weg kämpft die Atmosphäre gegen die Gelecktheit, die Bildgestaltung gegen die Figuren. Der Meister von Old Boy und Konsorten lässt die filmischen Muskeln spielen, entfesselt Blick und Kamera und macht sein Publikum zum Voyeur, zum stillen Beobachter in einer Geschichte, welche sich schwülstiger gibt, als sie es eigentlich ist.

Matthew Goode, Mia Wasikowska © fox searchlight
Matthew Goode, Mia Wasikowska © fox searchlight

Mia Wasikowska ist India Stoker, deren geliebter, reicher Vater just an ihrem 18. Geburtstag einen tödlichen Unfall erleidet. Nun sitzt India im väterlichen Anwesen, mit der unzuverlässigen Mutter Evelyn (Nicole Kidman) und einem plötzlich aufgetauchten eigenartig anziehenden Onkel Charlie (Matthew Goode).

Matthew Goode © fox searchlight

Dass ihr niemand erklärt, wo dieser Bruder des Vaters plötzlich herkommt, macht die Sitation icht einfacher. Eben so wenig wie seine an Arroganz grenzende Selbstsicherheit und seine offensichtliche erotische Anziehungskraft nicht nur auf India, sondern auch auf ihre Mutter. Und auf Indias Schulkolleginnen: Als Onkel Charlie versucht, sie im offenen Jaguar von der Schule abzuholen, steigt sie zwar lieber in den Schulbus. Aber ihre Kolleginnen kichern und johlen und winken dem hübschen jungen Mann im Auto zu.

Nicole Kidman und Mia Wasikowska © fox searchlight
Nicole Kidman und Mia Wasikowska © fox searchlight

Atmosphärisch ist Stoker von Anfang an sehr eigenwillig. Aber die Kombination von Lolita-Momenten (wenn auch eigenwillig verdreht) mit erotischer Aufladung und das doch eher in Altmännerperspektive betriebene Spiel mit der erwachenden Sexualität und ihrer angeblichen Todesnähe erinnert auch daran, wer den Film produziert hat: Der 75jährige Ridley Scott und sein mittlerweile verstorbener Bruder Tony.

Stoker ist eigentlich eine Gothic Novel, eine jener Familiengeschichten, in denen die tragische Vergangenheit der Vorfahren die jüngsten Nachkommen einholt. Dass Park Chan-wook mit den alten Motiven dermassen souverän spielen kann, wie er es hier tut, liegt fast ausschliesslich an seinem für uns doch immer wieder überraschenden Blick. Dabei kombiniert er schamlos bekannte Kinomomente zu eigentlichen Bewegungscollagen.

Wenn Charlie India in den düsteren Keller schickt, um die Eiscrème in die Gefriertruhe zu legen, dann bringt sie unten im Vorbeigehen eine Hängelampe zum Schwingen, die Kellerszene aus Psycho verbindet sich mit jeder Leiche-in-der-Tiefkühltruhe-Szene, die wir je gesehen haben.

Mia Wasikowska, nicole Kidman, Mathew Goode © fox searchlight
Mia Wasikowska, Nicole Kidman, Mathew Goode © fox searchlight

Wenn India mit einem halbstarken Motorradboy auf dem Spielplatz am Waldrand umherspaziert, dann wird sie von der Regie auf eines dieser Kinderdrehrondelle gestellt, worauf sie natürlich während des Redens dauernd in den Hintergrund und dann wieder nach vorne pendelt.

Diese kinetischen Inszenierungen in oft mit starrer Kamera gefilmten Tableaus geben dem Film einen eigenen Zauber. Wer sich diesen Tricks entlanghangelt und sich damit über die teilweise sehr absehbaren Plotwendungen in der ersten Filmhälfte hinweg tröstet, wird dann tatsächlich überraschend belohnt.

Die letzte halbe Stunde von Stoker ist sozusagen die die Payload. Zwar kommt alles, wie es kommen muss. Das aber knüppeldick und ziemlich schwarz.

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