Locarno 13: TONNERRE von Guillaume Brac

Wenn man einfach von der Synopsis im Locarneser Katalog ausgeht, dann wäre dieser Film das komplimentierenden Gegenstück zum 0815-Melodrama Une autre vie, der ebenfalls im Wettbewerb läuft. Statt einer reichen schönen Pianistin, welche sich in einen armen aufrechten Elektriker verliebt, haben wir dieses Mal einen etwas abgehalfterten französischen Rockmusiker, der einer 21jährigen verfällt.

Allerdings rührt Guillaume Brac nicht mit der Kelle des Drehbuchlehrgangs für Fernseh-Anfänger an wie sein Kollege Mouret, sondern mit skurrilem Realismus. Nicht ganz auf der Höhe der Brüder Dardenne, aber doch trist genug, dass man dankbar ist für jede der anfänglich sehr dicht gestreuten Erheiterungen.

Vincent Macaigne als Maxime ...
Vincent Macaigne als Maxime …

Maxime, so heisst der Musiker, wohnt vorübergehend wieder bei seinem Vater im Städtchen Tonnerre. Er ist auf der Suche nach Inspiration für ein neues Album. Und da besucht ihn die junge Mélodie, um für die Lokalzeitung ein Interview mit dem semi-berühmten Sohn der Stadt zu führen.

Maxime ist sofort Feuer und Flamme für Mélodie. Und die entbrennt zunächst auch recht heftig für diesen musikalischen Ritter von der traurigen Gestalt und seine fettigen, schütteren langen Haare.

... mit Solène Rigot als Maxime
… mit Solène Rigot als Maxime

Zudem hat der Papa einen Hund, der auf Poesie steht und bei Gedichten ganz allerliebst die Ohren spitzt und Gesichter macht. Und dann dreht Maxime durch, weil Mélodie plötzlich seine Anrufe nicht mehr beantwortet und offensichtlich zu ihrem vorherigen Freund, einem jungen Fussballer, zurück gekehrt ist.

Das ist ein Film, der geschickt die triste Provinz gegen sein eigenes dramatisches Potential ausspielt. Die Schönheit der Landschaft und des Städtchens wird bewusst unterschlagen, die Familiengeschichte von Vater und Sohn eruptiert einmal ein wenig, und der Hund muss sogar als Versuchstier dienen, als Maxime die negative Energie der Zurückweisung nicht mehr länger internalisieren kann und – eben – durchdreht.

Tonnerre wird seinem zweideutigen Titel gerecht, der Film lebt zum einen von realistischer Milieuzeichnung, andererseits davon, dass das entfernte emotionale Donnergrollen tatsächlich immer näher kommt – bis der Blitz einschlägt. Wenn auch mit unerwarteten Konsequenzen.

Eine zuweilen erfreulich unerspriessliche Geschichte, mit glaubwürdigen Figuren und wunderbaren Momenten, vom psychologischen Realismus her fast ein Maigret-Roman, wenn auch ohne aufzulösendes Verbrechen. Und gerade darum stark, weil die Provinzialität hier an die Stelle der Exotik tritt.

Guillaume Brac
Guillaume Brac

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