LOVELY LOUISE von Bettina Oberli

Annemarie Düringer, Stanley Townsend, Stefan Kurt © frenetic
Annemarie Düringer, Stanley Townsend, Stefan Kurt © frenetic

Annemarie Düringer ist 87 Jahre alt. Sie war eine von Bettina Oberlis Herbstzeitlosen, allerdings nicht jene, welche angeblich in Amerika gewesen war. Das war die von Heidi Maria Glössner gespielte Lisi. Und die starb ja vor Ende des Films. Aber als Lovely Louise spielt Annemarie Düringer nun eine Variante der Lisi: Die Frau, die ihr ganzes Leben darauf abstellt, dass sie «in Amerika» gewesen ist. Genauer: In Hollywood – als junge Schauspielerin und kommender Filmstar.

Annemarie Düringer ist 'Lovely Louise' Dubois © frenetic
Annemarie Düringer ist ‚Lovely Louise‘ Dubois © frenetic

Louise heisst Louise Dubois und das erinnert nicht von ungefähr an die fragile Blanche DuBois aus Tennessee Williams‘ «Endstation Sehnsucht», denn auch Louise hängt sehr am ausgebauten Glamour ihrer imaginären Vergangenheit. Aber die Lovely Louise ist bloss die Titelfigur des neuen Films von Bettina Oberli. Das Zentrum, der Antiheld, die Identifikationsfigur, das ist ihr Sohn André, gespielt vom stets verlässlichen Stefan Kurt.

Stefan Kurt als André Dubois © frenetic
Stefan Kurt als André Dubois © frenetic

André ist Mitte fünfzig, fährt Taxi und bastelt ferngesteuerte Flieger in der Garage. Hauptamtlich aber ist er Sohn, Stütze seiner Mutter – schon immer, eigentlich, wie er der Wurstbudenbetreiberin Steffi treuherzig anvertraut. Schliesslich hat die Mutter seinetwegen eine grosse Karriere in Amerika aufgegeben. Steffi ist nicht begeistert.

Stanley Townsend, Stefan Kurt, Annemarie Düringer © frenetic
Stanley Townsend, Stefan Kurt, Annemarie Düringer © frenetic

Lovely Louise ist das stille Leiden des Sohns, der sich nicht lösen kann, die Tragödie der Mutter, welche ihr ganzes Leben auf Schein gebaut hat und den Sohn zu dessen Aufrechterhaltung braucht. Aber Lovely Louise ist kein Drama, sondern ein leichtfüssiger, zuweilen leise poetischer und fast immer tragikomischer Film für ein Publikum, das sich gerne bei der Hand nehmen lässt.

Bettina Oberli hat den schwierigen Weg gewählt zwischen der erfolgreichen Formelhaftigkeit der Herbstzeitlosen und dem thematisch ähnlich angelegten Mutter-Sohn-Drama Rosie von Marcel Gisler. Damit erreicht sie mit etwas Glück das grössere Publikum, fällt aber unter Umständen bei der Kritik zwischen Stuhl und Bank – oder, schon geschehen, beim Filmfestival von Locarno, wo Lovely Louise nicht zu sehen war: Im überaus kunstsinnigen Wettbewerb wäre der Film schlecht aufgehoben gewesen. Und für die publikumsträchtigen Freilichtaufführungen auf der Piazza Grande war er dann doch wieder zu intim, zu fein – und zu deutschschweizerisch.

Nina Proll, Stefan Kurt © frenetic
Nina Proll, Stefan Kurt © frenetic

Denn das ist eine eingewobene Qualität, welche Lovely Louise nicht nur seiner sehr schweizerischen Geschichte verdankt, sondern auch, paradoxerweise, seinem Hauptdarsteller Stefan Kurt. Der hat zwar seine Theaterkarriere in Deutschland gemacht, ist aber mittlerweile ein Garant für Schweizer Qualitätsarbeit auf der Leinwand wie weiland Bruno Ganz. Wie dieser glänzt Kurt mit Understatement, mit eindringlicher Bescheidenheit und leisen Tönen.

Nina Proll © frenetic
Nina Proll © frenetic

Für Lovely Louise ist Stefan Kurt der Anker, die Identifikationsfigur, der Antiheld und das Gravitationszentrum. Um ihn herum drapiert Bettina Oberli ein starkes Ensemble, insbesondere die Österreicherin Nina Proll als Steffi, und ein paar knallige Effekte, die zum Teil noch lange in Erinnerung bleiben werden, wie etwa die wunderbare Schlusssequenz. Oder aber besser schnell wieder vergessen werden sollten, wie eine Autokarambolage, deren Symbolwert dann doch etwas zu scheppernd ausgefallen ist.

Regisseurin Bettina Oberli © frenetic
Regisseurin Bettina Oberli © frenetic

 

 

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