Duisburg 13: FAR’FALASTIN von Max Sänger

far falastin

Acht Minuten Plansequenz in Schwarzweiss, ein palästinensischer Hirte lässt Schafe aus improvisierten Umhagungen, zieht mit der Herde in die karge Landschaft hinaus. Wir sind in Area C im israelischen Siedlungsgebiet, aber der Gestus des Films beschwört die ethnographischen Klassiker, die Kamera blickt einer alten Frau ins zerfurchte Gesicht.

Der Filmemacher Max Sänger (Jahrgang 1987) hat bei den Menschen gelebt, in Susya, dem Dorf, von dem sie alle erzählen – vor allem, dass es nicht mehr existiert, dass mit den israelischen Siedlern die Soldaten kamen und die Höhlenbehausungen und überhaupt alles plattgemacht hätten.

Ein paar dieser israelischen Soldaten werden uns noch begegnen, insbesondere zwei, welche der alten Frau beizubringen versuchen, dass sie mit den Schafen im Tal diesseits der Demarkationslinie zu bleiben habe – was diese – Habibi! – vehement bestreitet.

Es bleibt gerade genügend Information im Bild, um uns die verfahrene Situation mit Generationen von Vertriebenen und ihrem längst zum Widerstandsmythos erstarrten Opfergestus in Erinnerung zu rufen… und die Erinnerung zu unterlaufen. Der Film von Max Sänger, komplett in Schwarzweiss gedreht, wie der Filmemacher erklärt, weil er das Konzept nicht mehr verwerfen konnte, weil er einen Teil des Materials tatsächlich schon in Schwarzweiss gedreht hatte, selbst wenn er am Ende des fast dreijährigen Kampfes mit den gefilmten Sequenzen gerne auf die Entscheidung zurückgekommen wäre.

Überhaupt der Filmemacher: In der traditionellen Diskussion, die in Duisburg stets direkt auf die Filmvorführung folgt, erleben wir einen intelligenten jungen Mann, der nie aufgehört hat, sich und sein Projekt zu hinterfragen. Einen Filmemacher, der sogar im Katalogtext der Filmwoche erklärt, er habe dieses Susya eingefangen in Bildern und persönlichen Erinnerungen wie ein Museumsstück und traue sich kaum, es auszustellen.

Und ähnlich wie die schwarzweissen Bilder seines Films ein mythisch-ethnographisches Kino evozieren, weckt die demonstrative Bescheidenheit und ostentative Unsicherheit des Filmemachers seinem Stoff gegenüber den Verdacht, da werfe sich einer geschickt in Pose.

In der halben Stunde Gespräch nach dem Film erfahren wie von Max Sänger viel mehr über die Hintergründe seines Films, als der Film vermittelt. Und doch bleibt er glaubwürdig, zumal der Film selber ja nicht verleugnet, eine Pose einzunehmen – oder sie nachzuahmen. Naiv sind weder der Film noch der Filmemacher, berechnend wirken sie beide nicht, und so bleibt am Ende die Erkenntnis, dass man mehr mitgenommen hat, als man wahrzunehmen glaubte. Von der Diskussion und aus dem Kino.

Max Sänger
Max Sänger

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