Duisburg 13: SCHLAGERSTAR von Marco Antoniazzi und Robert Stadlober

Marc Pircher Photoshooting
Marc Pircher Photoshooting

Aus Österreich kommt der Film, mit dem die diesjährige Duisburger Filmwoche gestern Abend eröffnet wurde. Eine schöne Demonstration dafür, wie das aktuelle Filmwochen-Motto „im Bilde“ sich „im Kopfe“ festbeissen kann: Denn dauernd im Bild ist in Schlagerstar der Zillertaler Unterhaltungsmusikstar Marc Pircher, nie im Bild sind die beiden Filmemacher, und gelegentlich im Bilde sind wir als Zuschauer, wenn uns gerade wieder ein Licht aufgegangen ist.

Der Dokumentarfilm der beiden Österreicher definiert sich zunächst einmal über all das, was er nicht sein möchte: Kein Star-Portrait. Kein Film über den Menschen hinter der Fassade. Kein postmodernes Ironie-Fest. Stattdessen folgt die Kamera einfach dem Turbo-Alltag eines getriebenen Kleinunternehmers der Selbstvermarktung.

Motto der Duisburger Filmwoche 37
Motto der Duisburger Filmwoche 37

Seit über zwanzig Jahren ist Marc Pircher einer der Stars der Musikantenstadel-Szene. Er war einer der ersten, der mit Jeans statt Lederhosen aufgetreten ist und nun wird er selber Zeuge eines Retro-Paradigmenwechsels zurück zum Dirndl, wie es der Film anhand des Auftritts eines der neuen Jungstars ganz beiläufig illustriert. Es ist gerade diese Beiläufigkeit, welche Schlagerstar seine irritierende Kraft gibt. Man glaubt, einen Film zu sehen, der sich eben so ergeben hat. Und dafür spricht auch das Zeugnis der Filmemacher, die offen erklären, das ursprüngliche Konzept hätte anders ausgesehen.

Drei Fokal-Punkte waren geplant, einer zur Schager-Industrie, einer zu den verschiednene Vertretern der Szene und einer zum Publikum. Hängen geblieben sind sie bei Pircher, diesem hart arbeitenden Profi-Opportunisten. Die Faszination ist greifbar: Der Mann „kann was“. Er beherrscht sein musikalisches Handwerk, er bewegt sich im industriellen Komplex der volkstümlichen Musik mit der Geschmeidigkeit eines erfahrenen Hasen. Und er betont bei jeder Gelegenheit, wie einträglich das Geschäft sein kann.

Dieser Hinweis auf die Rendite dient so offensichtlich der Rechtfertigung, dass einem unwillkürlich der Trotz eines Pronofilmproduzenten in den Sinn kommt. Der Eindruck verstärkt sich in den Szenen, in denen Pircher seinem Überdruss über das Arschlecker-Business Ausdruck gibt, oder wenn er an einem Konzert völlig schamlos den lokalen Nationalismus bedient und diesen an einem anderen Konzert geschmeidig geographisch auszudehnen versteht.

Dabei wirken aber Pirchers Energie, seine Direktheit im Umgang mit Fans und seine Freude auf der Bühne doch immer wieder faszinierend und zugleich sind die Einblicke in die Radio- und TV-Vermarktung all dieser Volkstümlichkeit dermassen faszinierend, dass man erst lange nach dem Film merkt, dass man da eine Studie zentraleuropäischen Kleinunternehmertums gesehen hat.

Pircher ist der Mann mit dem Gemüsehobel, der Marktprofi, und zugleich ein selbstverwaltetes Produkt der Unterhaltungs- und Heimat-Selbstversicherungs-Industrie. Dass der Schnitt (bei dem Constantin Wulff beratend beteiligt war) aufgrund des vorhandenen Materials voll auf Pircher bleibt und seine manische Energie zugleich opportunistisch und distanziert verbrät, ist der vielleicht einzige ironische Aspekt dieses ansonsten verblüffend zurückhaltenden und gerade darum nachklingenden Films.

Marco Antoniazzi, Robert Stadlober © autlookfilms
Marco Antoniazzi, Robert Stadlober © autlookfilms

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