Vielleicht zeichnet gerade das den jungen Hamdy aus: Dass er immer hier ist. Sei das auf der Strasse, in seiner Wohnung, oder eben im Gefängnis, wo er wieder mal einsitzt, gerade als die Dreharbeiten zum Film über ihn beginnen sollen. Eleni Ampelakiotou versucht, Hamdys Präsenz in ihrer Wahrnehmung zu fassen, in ihren Bildern und Repräsentationen. Da genüge seine typische Gestik, zum Beispiel, sagt sie in Duisburg.
Ich bin hier ist so etwas wie ein impressionistischer Dokumentarfilm, ein saugender Bilderrausch als Repräsentation eines vagen Lebensgefühls. Klassisch dokumentarisch ist daran allenfalls der Off-Kommentar von Hamdy, seine Stimme, die erzählt von seinen Träumen, seiner kleinen Tochter, die er kaum je sieht, seiner Unlust, sich institutionell erziehen zu lassen.
Die Bilder sind stark, oft plakativ, etwa das Jonglieren mit einem brennenden Gegenstand, welches am Anfang und am Ende auf die Balance verweist, welche Hamdy in Eleni Ampelakiotous Augen immer wieder herstellt, eine Balance zwischen Freiheit und Zwang, Anpassung und Verweigerung.
Formal erinnert der Film an rauschende Versuche wie Gaspard Noés Enter the Void von 2009. Ampalakiotou setzt auf Bilder und Impressionen die wir kennen. Manche der Berliner Einstellungen erinnern an Edward Hopper, andere haben mich an zeitgenössische japanische Filme erinnert, etwa eine Sequenz in einem Park, in der Hamdy von der Parkbank aus seiner Ex-Freundin und seiner Tochter beim Herumtollen in der Wiese zuschaut.
Bloss: Der Mann auf der Bank ist nicht Hamdy. Hamdy ist ja im Gefängnis und Ampelakiotou hat mit einem Stand-In gedreht, einer Repräsention Hamdys, mit einem Mann, der durchaus Hamdy sein könnte. Auf Vorschlag und Wunsch von Hamdy selber. Dies beiläufig zu erfahren mag für unser Dok-Verständnis einem kleinen Schock gleichkommen. Aber der relativiert sich fast augenblicklich, denn eigentlich ist es ja egal, wer einen uns zunächst Unbekannten repräsentiert – so lange er dies „richtig“ macht. Und genau da setzt Ampelakiotou an, denn die Richtigkeit der Repräsentation ist ja ihr Job, nicht der des Repräsentanten. Und Hamdy sagt ja: „Ich bin hier“.
Udo Bremer, der Redakteur von ZDF/3sat, der den Film in Auftrag gegeben hat für die Reihe „Über 18“, hat in Duisburg erklärt, sie seien auf der Suche nach neuen Repräsentationen für junge Menschen gewesen, jenseits des klassischen Porträts. Und Ich bin hier sei durchaus erfolgreich ausgestrahlt worden. Die Kennzahl dafür sei die außergewöhnlich hohe Zahl der sich zuschaltenden Zapper, die geblieben seien.
Das leuchtet ein, weil ein Film, der einerseits mit starken, durchdachten und plakativen Bildern arbeitet, sich zugleich aber jeder klassischen Dramaturgie und Erklärungshaltung verweigert, die Neugier weckt: Was sehe ich da? Wer ist das? Und wo ist er genau? Ich bin hier, sagt Hamdy.