Duisburg 13: NELLA FANTASIA von Lukas Marxt

Nella Fantasia

Die Bohrinsel ist ein Unort, eine Raumstation in lebensfeindlicher Umgebung, ein rostendes Imageproblem. Eine Bohrinsel ist ein Risiko. Ein Arbeitsort für Durcharbeiter und Durchdiener, für Menschen, die ihre Arbeit nicht zum Vergnügen machen. Zwölf Stunden Arbeit, zwölf Stunden Schlaf und Erholung. Dafür gibt es Fitnessraum und Squashhalle, Angelplatz und Tonstudio.

Der Mann im Tonstudio auf der Bohrinsel singt eine Arie. Vom Filmtitel her wissen wir, sie kommt aus der Phantasie, Nella Fantasia. Im Abspann des Films erfahren wir, sie stammt von Ennio Morricone. Aber all das, was oben aufgezählt wurde, das wissen wir nicht aus dem Film. Das hat uns Lukas Marxt nach der Sichtung erzählt.

Nella Fantasia von Lukas Marxt ist ein gewaltiges Erlebnis. Fünfzehn starre Einstellungen, vom Meer, aus dem Inneren der Bohrinsel, Türen von Blechspinden, die mit der Bewegung des schwimmend verankerten Kolosses auf- und zuschwingen. Eine Tonspur, die kracht und dröhnt, Rohrbiegungen, die zum brachialen Glockenspiel werden.

An einer der Duisburger Diskussionen gestern Abend hat eine Teilnehmerin eine sehr brauchbare Definition des Dokumentarischen solcher Filme formuliert: Sie sind dokumentarisch, weil sie dazu anregen, Fragen zu stellen. Sie zeigen durchaus Faktisches, aber ohne Erklärung (der wir misstrauen müssten).

Der bisher spektakulärste Vertreter dieses nicht wirklich neuen, aber durch die technischen Möglichkeiten massiv erweiterten Verfahrens ist Leviathan, diese monströse Totalimmersion in den industriellen Fischfang. Und einen weiteren dieser mehr oder weniger wortlosenVerwandten haben wir gestern ebenfalls in Duisburg gesehen: Sieniawka von von Marcin Malaszczak.

Nella Fantasia löst ein, was all die eher enttäuschenden Total Immersion Konzepte bis hin zu Imax 3D stets versprechen: Man wird eingetaucht. Das ist eine Zumutung, ein mittelbares Vergnügen, kein unmittelbares. Und hinterhältig nachhaltig.

Lukas Marxt
Lukas Marxt

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