MANUSCRIPTS DON’T BURN – Dast-Neveshtehaa Nemisoosand von Mohammad Rasoulof

© Xenix
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Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof zeigte in Cannes letztes Jahr einen Film, der in seiner Heimat nie ins Kino kommen wird. Aber jetzt läuft er bei uns. Es geht um die rücksichtslose Verfolgung regimekritischer Schriftsteller in den 90er Jahren. Begründet werden die Aktionen anders. Aber die Methoden sind die gleichen wie in jeder Diktatur.

Manuscripts don’t burn ist einer jener Filme, bei denen man sich fragt, wie sie überhaupt entstehen konnten. Wie ist es möglich, die Droh-, Mord- und Überwachungsmechanismen einer Diktatur im eigenen Land dermassen klar und offen zu schildern, wie es Mohammad Rasoulof hier tut?

Wie sein Kollege, Freund und Landsmann Jafar Panahi kam Rasoulof wiederholt in die Mühlen der iranischen Staatsjustiz. Er war im Gefängnis, bekam Filme verboten und Ausreisesperren. Und wenn er ausreisen durfte, wie etwa 2011 ans Filmfest in Hamburg, dann musste er sehr vorsichtig sein in seinen Äusserungen gegenüber den Medien.

Das galt auch für seine Pressekonferenz am Filmfestival in Cannes im Mai vor einem Jahr. Während sein Film kaum etwas zu interpretieren offen lässt, waren seine öffentlichen Aussagen zurückhaltend.

Manuscripts don’t burn beginnt mit einem Auftragsmord, oder zumindest mit den Auftragsmördern. Die beiden Männer, denen wir in den ersten fünf Minuten dabei zusehen, wie sie sich routiniert aus dem Staub machen, arbeiten für einen Geheimdienstmann, oder Zensoren, oder was auch immer er ist: Sie machen die Dreckarbeit. Und die ist wirklich dreckig. Im Moment sind sie mit ein paar renitenten Schriftstellern beschäftigt. Die waren vor Jahren dabei, als ein ganzer Bus voll regimekritischer Denker in einen Abgrund gesteuert werden sollte – was eben der genannte Beamte veranlasst hatte. Aber die Aktion schlug fehl und nun soll ein Manuskript existieren, das die ganze Geschichte aufrollt.

Das Erschreckende an der erzählerischen Anlage des Films ist der Umstand, dass eigentlich alle Beteiligten jederzeit darüber im Bild sind, was geschieht. Die Schriftsteller kennen ihren Widersacher, verhandeln mit ihm. Der eine will bloss noch ausreisen, um bei seiner Tochter in Frankreich zu sterben. Der andere ist so krank, dass er auf jeden Fall noch publizieren will.

Und die beiden Handlanger sind einfache Männer. Einer hat einen kranken Sohn im Spital, telefoniert dauernd mit seiner Frau und rennt immer wieder zum Bankomaten, um zu sehen, ob das Geld für seinen letzten Auftrag endlich eingezahlt wurde – weil das Spital auf eine Vorauszahlung für die Behandlung des Kindes wartet. Und seine Frau erklärt ihm schliesslich, dass sein Sohn wahrscheinlich für die Sünden des Vaters büsse.

Zwischen Einbruch, Einschüchterung, Entführung, Folter und Mord spielt sich ein Alltag ab, der wie eine parallele Welt wirkt. Denn daneben leben ja noch alle anderen Menschen im Iran. Jene, welche so tun, als ob nichts wäre. Oder wirklich nichts begreifen.

Wenn man weiss, dass im Iran für jeden Dreh in der Öffentlichkeit eine Genehmigung der Zensurbehörde vorgeschrieben ist, und dass die jeweils zuerst das Drehbuch studieren wollen, dann kann man sich die Entstehung eines solchen Films nur als raffinierte Abfolge von strategischen Täuschungen und logistischen Winkelzügen vorstellen. Drehgenehmigungen kann man schliesslich auch bekommen für Szenen, die eigentlich in ein anderes Drehbuch geschrieben wurden. Und was ein Film am Ende tatsächlich erzählt, entscheidet sich erst im Schneideraum.

Was aber passiert in der Heimat, wenn der Filme seine Premiere in Cannes hinter sich hat? Wenn die Medienberichte klar zusammenfassen, was auf der Leinwand zu sehen war? Konkret folgt Rasoulofs Film Geschehnissen aus den 90er Jahren, stellt damit also eigentlich historische Zusammenhänge dar und ist damit ostentativ keine Kritik am aktuellen Regime.

Mohammad Rasoulof lebt derzeit offenbar in Deutschland und sein Film wird im Iran kaum je zu sehen sein. Es sei denn über den blühenden Schwarzhandel mit klandestin gebrannten DVDs. Und dafür stehen die Chancen auch darum gut, weil Manuscripts don’t burn – Dast-Neveshtehaa Nemisoosand nicht einfach ein politischer Thriller ist, sondern ein meisterhaft erzählter und gebauter Film über Menschen mit unterschiedlichen Denk- und Motivationssystemen.

Die beiden Häscher, mit denen er einsetzt, stellen sich zwar schon hin und wieder die Frage, nach der Richtigkeit ihres Tuns. Aber eine Antwort haben sie auch auf die Frage. Denn im Gottesstaat ist der staatliche Auftrag immer auch ein göttlicher. Warum sein Sohn denn trotzdem leiden muss, versteht Khosro allerdings nicht wirklich. Und es führt bei ihm immer wieder zu Skrupeln, welche sein Vorgesetzter Morteza beiseite wischt. Oder er lässt den Kollegen auch mal rücksichtsvoll beim Auto warten, während er einen Dorfjungen ertränkt, der zufällig Zeuge einer Hinrichtung wurde.

 

 

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