Cannes 14: GRACE OF MONACO von Olivier Dahan

Tim Roth und Nicole Kidman in 'Grace of Monaco' © Ascot-Elite
Tim Roth und Nicole Kidman in ‚Grace of Monaco‘ © Ascot-Elite

Die nostalgische Glamour-Beschwörung Grace of Monaco hat das 67. Filmfestival von Cannes eröffnet. Regisseur Olivier Dahan recycled das Konzept der Sissi-Filme mit der arg geforderten Nicole Kidman in der Titelrolle und einem ziemlich gelangweilten Tim Roth als Fürst Rainier von Monaco.

Die Stirne runzeln kann sie noch, trotz Botox. Oder wieder. Und selbst ein gequältes Lächeln kriegt Nicole Kidman mit etwas Anstrengung noch auf die Leinwand. Aber jeder Vergleich mit der damals 33 Jahre alten Grace Kelly von 1962, welche sie in Grace of Monaco zu spielen hat, fällt für die Sechsundvierzigjährige vernichtend aus. Aber wer sonst hätte die Grace spielen sollen? Das Aussehen und die schauspielerischen Fähigkeiten hätten wohl einige Schauspielerinnen gehabt. Nicht aber jene schwer fassbare Starqualität, welche eine Filmproduktion wie diese überhaupt erst finanzierbar macht.

Grace Kelly (Nicole Kidman) und Fürst Rainier (Tim Roth) © Ascot-Elite
Grace Kelly (Nicole Kidman) und Fürst Rainier (Tim Roth) © Ascot-Elite

Es ist nicht schwer zu sehen, warum das Filmfestival von Cannes unbedingt mit diesem Film eröffnen wollte. Schliesslich hat die in Cannes so gerne praktizierte Vermählung von europäischer Kultur mit Hollywood-Glamour ihren Ursprung im benachbarten Monaco. Und eingefädelt wurde das Match-Making zwischen Hitchcock-Heroine Grace Kelly und Fürst Rainier dem Dritten von Monaco angeblich am Filmfestival von Cannes.

Und dass die Nachwuchs-Grimaldis der gestrigen Festivaleröffnung den Glanz ihrer Anwesenheit verweigerten, mag durchaus mit der von ihnen angeblich monierten Entfernung der Leinwand-Geschichte von der historischen Realität ihrer Mutter zu tun haben. Vielleicht aber – man darf ja träumen – sind die Kinder der schönsten Hollywood-Blondine aller Zeiten auch tatsächlich fähig, einen schlechten Film zu erkennen, bevor sie ihn sehen.

Denn gut ist Grace of Monaco leider in keiner Beziehung. Das ist Rezept-Kino aus der Drehbuch-Retorte, gestrickt nach der Vorlage der Sissi-Geschichten, mit etwas Hollywood-Pep gepfeffert und durchwoben mit pseudohistorischen Spekulationen darüber, wie die zupackende Baulöwen-Tochter aus dem amerikanischen Philadelphia den Hegemonie-Ansprüchen De Gaulles entgegentrat und als adoptierte Landesmutter ihre Monegassen vor den Annektions- und Besteuer-Gelüsten Frankreichs schützte.

Das ist mehr oder weniger konzentriert der Plot von Grace of Monaco. Die nach sechs Jahren Ehe frustrierte und deprimierte Grace nimmt Alfred Hitcocks Angebot an, für seinen Psycho-Thriller Marnie auf die Leinwand zurück zu kehren. Aber Intrigen im Palast und der zunehmende Druck De Gaulles auf das Steuerparadies Monaco zwingen sie zu einer Entscheidung. Und sie entscheidet sich für die ihr vom Hauspriester Monacos vorgezeichnete „Rolle ihres Lebens“, jene der Landesmutter.

Roger Ashton-Griffiths als Hitchcock mit Grace Kelly (Nicole Kidman) © Ascot-Elite
Roger Ashton-Griffiths als Hitchcock mit Grace Kelly (Nicole Kidman) © Ascot-Elite

Olivier Dahans Film fängt in einem Hollywood-Studio an, zeigt Grace Kelly bei der Arbeit – wobei man Nicole Kidman eine Weile nur von hinten sieht, als ob der Film die Zerstörung der Illusion so lange wie möglich hinauszögern wollte. Dann folgt der Besuch von Alfred Hitchcock (eher farblos: Roger Ashton-Griffiths) in Monaco, wo sich der Brite mit diebischer Freude über alle protokollarischen Regeln hinwegsetzt, um seine „Gracie“ zurückzuholen.

Benimmschule für Grace Kelly (Nicole Kidman) mit Derek Jacobi © Ascot Elite
Benimmschule für Grace Kelly (Nicole Kidman) mit Derek Jacobi © Ascot Elite

In diesen ersten Szenen spielt tatsächlich noch der Glamour-Faktor Hollywoods, das Echo der grossen Grace-Kelly-Filme von Rear Window über To Catch a Thief bis High Society. Dann aber kommt das abgedroschene Prinzip der „princess in the making“ zum Tragen, das Hineinwachsen der natürlichen Sissi in die kalten Macht-Strukturen des Hofes, die Kultivierung der Amerikanerin durch den Grafen Fernando D’Aillieres (Derek Jacobi auf Autopilot). Hier spielt die Mechanik, welche die Sissi-Filme perfektioniert haben und das Prinzip, das seither über Teenagerfutter wie The Princess Diaries perpetuiert wird.

Frank Langella als Father Tucker (links) © Ascot-Elite
Frank Langella als Father Tucker (links) © Ascot-Elite

Der Film mag sich nicht entscheiden, was ihm als Motor wichtiger ist: Die Schlangengrube der Realpolitik, an der sich Regisseur Dahan wie an einem nicht ganz zuverlässigen Turngerät in Richtung Politthriller emporhangelt, oder die letztzlich interessantere Zähmung des wilden amerikanischen Freigeistes durch den gütigen US-Priester und Papst-Gesandten Francis Tucker. Dieser Tucker ist tatsächlich die einzige interessante Figur im Film. Und Frank Langella, der ihn spielt, der einzige im ganzen Schauspielensembles, der nicht einfach Dialoge abspult. Langellas Tucker hat in den besten Momenten die tragische Tiefe eine Figur aus Coppolas Godfather-Trilogie.

Prince Rainier III (Tim Roth) © Ascot-Elite
Prince Rainier III (Tim Roth) © Ascot-Elite

Im Gegensatz dazu steht der von Tim Roth fast schlafwandlerisch gespielte Fürst Rainier, bei dem man dauernd das Gefühl hat, er sei schnell von einem anderen Filmset herübergekommen, um mit Nicole Kidman die Dialoge einzuüben.

Grace Kelly (Nicole Kidman) © Ascot-Elite
Grazia Patrizia (Nicole Kidman) © Ascot-Elite

Und dann wäre da noch der dramaturgische Höhe- und inszenatorische Tiefpunkt des Filmes, die leidenschaftliche Ansprache von Grazia Patrizia an der Jahres-Gala zugunsten des Roten Kreuzes, wo sie sich zur Königin der Herzen macht und den ebenfalls anwesenden De Gaulle beschämt, der angesichts der überwältigenden Begeisterung aller anwesenden Staatsmänner für die glühende Fürstin seine Annektionspläne für Monaco fallen lassen muss.

Madonna in der Titelrolle als Evita 1996
Madonna in der Titelrolle als ‚Evita‘ 1996

Die Solo-Szene für Nicole Kidman ist eine Standard-Nummer, das grosse persönliche Plädoyer des Hollywood-Dramas. Aber dafür bräuchte es eine wirklich packend geschriebene Rede und einen emotionalen Hinterhalt, der überrascht. Was Grace of Monaco hier bietet, ist fast schon eine Parodie. Nicole Kidman steht im Scheinwerferlicht wie seinerzeit Madonna in Evita, fast hofft man, sie möge zu singen beginnen.

Tim Roth und Regisseur Olivier Dahan © Ascot Elite
Tim Roth und Regisseur Olivier Dahan © Ascot Elite

 

 

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