Cannes 14: MR. TURNER von Mike Leigh

Timothy Spall als J.M.W. Turner
Timothy Spall als J.M.W. Turner

Timothy Spall als William Turner ist ein monstre sacré bei Mike Leigh. Ein grosser, schwerer Mann, dessen Seele auf seinen Leinwänden explodiert, aber ansonsten gefangen ist in einem Körper, den er selber als Zumutung begreift.

Das tragende Prinzip von Mike Leighs Film über den grossen Spätromantiker und bahnbrechenden Proto-Impressionisten Turner ist genau diese Diskrepanz zwischen der lichtdurchfluteten schwebenden Leichtigkeit seines Spätwerks und der massigen Schwere seiner physischen Existenz. „Cannes 14: MR. TURNER von Mike Leigh“ weiterlesen

Cannes 14: TIMBUKTU von Abderrahmane Sissako

Timbuktu von Abderrahmane Sissako 2

In Bamako liess Sissako 2006 die afrikanische Zivilgesellschaft in einer fiktionalen Gerichtsverhandlung gegen Weltbank und IWF antreten. Das war clever, gut inszeniert und ziemlich vielschichtig.

Auch Timbuktu ist jetzt wieder in Mali angesiedelt. Aber der Film ist allenfalls teilallegorisch und dreiviertel realistisch. Er verhandelt im Märchenton die Drangsale der islamistischen Fundamentalisten gegenüber den Bewohnern der Stadt am Wüstenrand. Und auf mich kleinen erschreckten Schweizer wirkt das nun, als ob Märchenerzähler und Filmer Nacer Khemir die Dürrenmattsche Dramatisierung eines Gotthelf-Romans verfilmt hätte. „Cannes 14: TIMBUKTU von Abderrahmane Sissako“ weiterlesen

Die Unverpassbaren, Woche 20 – 2014

Der infame Doktor Mengele in 'Wakolda' © Xenix
Der infame Doktor Mengele in ‚Wakolda‘ © Xenix

Erst diese fünf Filme sehen, dann alle anderen.

  1. Wakolda von Lucía Puenzo. Subtil und vielschichtig erzählt die Argentinierin, wie sich 1960 der flüchtige Nazi-Doktor Mengele unter falschem Namen an eine Familie in Bariloche heranmacht. Eine packende und intelligent personalisierte Fiktionalisierung.
  2. Snowpiercer von Bong Joon-ho. Eiszeit statt globaler Erwärmung. Ein Zug nach Nirgendwo rast durch die menschengemachte Katastrophe, im Zug eine negative Gesellschaftsutopie. Eigenwillige Comic-Verfilmung mit schmalem Budget und grossem Selbstvertrauen aus Südkorea
  3. Los insólitos peces-gato von Claudia Sainte-Luce. Eine einsame junge Frau trifft auf eine lebenslustige Todkranke. Die mexianische Regisseurin hat ein Stück eigener Biographie zu einem starken Spielfilm verarbeitet.
  4. Hunting Elephants von Reshef Levi. In Jerusalem rauben drei alte Männer und ein Jungspund eine Bank aus. Ein jüdisches Ocean’s Eleven mit unzähligen Altherrenwitzen – vulgär und sexistisch zwar, aber halt doch zum Brüllen komisch.
  5. The Reunion – Återträffen von Anna Odell. Die Künstlerin stellt ihre schulischen Mobbing-Erfahrungen nach und konfrontiert am inszenierten Klassentreffen ihre einstigen Peiniger. Beklemmend und packend.

Morgen im Filmpodcast mehr zu Grace of Monaco, Filmfestival Cannes und zum Tod von HR Giger.

Cannes 14: GRACE OF MONACO von Olivier Dahan

Tim Roth und Nicole Kidman in 'Grace of Monaco' © Ascot-Elite
Tim Roth und Nicole Kidman in ‚Grace of Monaco‘ © Ascot-Elite

Die nostalgische Glamour-Beschwörung Grace of Monaco hat das 67. Filmfestival von Cannes eröffnet. Regisseur Olivier Dahan recycled das Konzept der Sissi-Filme mit der arg geforderten Nicole Kidman in der Titelrolle und einem ziemlich gelangweilten Tim Roth als Fürst Rainier von Monaco.

Die Stirne runzeln kann sie noch, trotz Botox. Oder wieder. Und selbst ein gequältes Lächeln kriegt Nicole Kidman mit etwas Anstrengung noch auf die Leinwand. Aber jeder Vergleich mit der damals 33 Jahre alten Grace Kelly von 1962, welche sie in Grace of Monaco zu spielen hat, fällt für die Sechsundvierzigjährige vernichtend aus. Aber wer sonst hätte die Grace spielen sollen? Das Aussehen und die schauspielerischen Fähigkeiten hätten wohl einige Schauspielerinnen gehabt. Nicht aber jene schwer fassbare Starqualität, welche eine Filmproduktion wie diese überhaupt erst finanzierbar macht.
„Cannes 14: GRACE OF MONACO von Olivier Dahan“ weiterlesen

Cannes 14: Die Zwickmühle der Jane Campion

Cannes 2014 affiche

Die grosse Jury des Filmfestivals von Cannes präsidieren zu dürfen, das ist so etwas wie eine cineastische Erhebung in den Adelsstand. Und gleichzeitig profitiert immer auch das Festival von den klingenden Namen in der Jury.

Und natürlich ranken sich viele medial genüsslich perpetuierte Gerüchte um die diversen Juries. Von Diktaten und Einflussnahmen seitens der Festivalleitung ist die Rede, von vorab versprochenen Palmen, von fürstlichen Honoraren und königlicher Unterbringung. Das meiste ist Mumpitz – aber alles davon ist dem leicht entrückten Bild einer schwebenden, gottähnlichen Kino-Instanz zuträglich.

„Cannes 14: Die Zwickmühle der Jane Campion“ weiterlesen

Filmpodcast Nr. 384:
Tempo Girl, Floating Skyscrapers

Tempo Girl © Spot on
‚Tempo Girl‘ © Spot on

Kino im Kopf – mit Michael Sennhauser. Und mit Georges Wyrsch. Denn er stellt uns die beiden Neuankömmlinge der Woche vor, Tempo Girl vom Schweizer Dominik Locher und Floating Skyscrapers aus Polen. Dazu Kurztipps und für Spitzfindige ein verführerisches Ohr voll Tonspur.

Hören:

Saugen: Filmpodcast Nr. 384 (Rechtsklick für Download)


filmpodcast

Den Filmpodcast können Sie via iTunes oder direkt abonnieren; die entsprechenden Links finden Sie auch oben rechts im Blog.

Die Unverpassbaren, Woche 19 – 2014

'Snowpiercer' von Joon-ho Bong © Ascot-Elite
‚Snowpiercer‘ von Joon-ho Bong © Ascot-Elite

Erst diese fünf Filme sehen, dann alle anderen.

  1. Snowpiercer von Bong Joon-ho. Eiszeit statt globaler Erwärmung. Ein Zug nach Nirgendwo rast durch die menschengemachte Katastrophe, im Zug eine negative Gesellschaftsutopie. Eigenwillige Comic-Verfilmung mit schmalem Budget und grossem Selbstvertrauen aus Südkorea
  2. Los insólitos peces-gato von Claudia Sainte-Luce. Eine einsame junge Frau trifft auf eine lebenslustige Todkranke. Die mexikanische Regisseurin hat ein Stück eigener Biographie zu einem starken Spielfilm verarbeitet.
  3. Hunting Elephants von Reshef Levi. In Jerusalem rauben drei alte Männer und ein Jungspund eine Bank aus. Ein jüdisches Ocean’s Eleven mit unzähligen Altherrenwitzen – vulgär und sexistisch zwar, aber halt doch zum Brüllen komisch.
  4. The Reunion – Återträffen von Anna Odell. Die Künstlerin stellt ihre schulischen Mobbing-Erfahrungen nach und konfrontiert am inszenierten Klassentreffen ihre einstigen Peiniger. Beklemmend und packend.
  5. Manuscripts don’t burn von Mohammad Rasoulof. Mord, Zensur, Verschleppung von unliebsamen Schriftstellern: Rasoulofs Geschichte spielt zwar im Iran der 90er Jahre. Gedreht aber hat er im aktuellen Iran. Hochspannender Diktaturthriller in grosser Tradition.

Morgen im Filmpodcast mehr zu Tempo Girl und Floating Skyscrapers.

Fantoche 2014 – Call for entries

fan14_presse_a5_quer_deutsch

Vom 2. bis 7. September ist die Stadt Baden zum 12. Mal Gastgeber von Fantoche – der grössten Schweizer Animationsfilmschau. Das internationale Festival ist das wichtigste Animationsfilmfestival der Schweiz und gehört zu den beliebtesten weltweit. Mit dem „Internationalen Wettbewerb“ und dem „Schweizer Wettbewerb“ sucht Fantoche nach den aktuellsten Strömungen der animierten Bildwelt in all ihren Variationen. 2013 wurden über 1’000 Kurzfilme eingereicht – für 2014 erhofft sich Fantoche eine ähnlich hohe Zahl: Der Wettbewerb ist ab sofort eröffnet, nationale und internationale Filmschaffende sind aufgerufen, ihre Animationsfilme bis am 24. Mai 2014 einzureichen. Zudem gibt Fantoche bekannt, dass 2014 Japan als Gastland am Fantoche vertreten sein wird. „Fantoche 2014 – Call for entries“ weiterlesen

Alles retten. Aber wie? Diastor-Tagung

Das Boot Schweiz wurde schon oft für voll erklärt und eine der eindrücklichsten Rekapitulationen ist der Spielfilm Das Boot ist voll von Markus Imhoof aus dem Jahr 1981. Ein Klassiker des modernen Schweizer Films – aber nur noch mit Abstrichen überhaupt im Kino vorführbar, wie Markus Imhoof im obigen Video von Barbara Flückiger erzählt. Von den meisten Schweizer Filmen der letzten drei Jahrzehnte liegen Kopien in der Cinémathèque Suisse. Aber ob die Originale, die Negative oder sonstige kopierfähige Träger noch vorhanden und brauchbar sind, das wissen in vielen Fällen nicht einmal die Filmemacher selber genau. „Alles retten. Aber wie? Diastor-Tagung“ weiterlesen

Filmpodcast Nr. 383: Visions du réel, Snowpiercer, La belle et la bête, Bob Hoskins

Tilda Swinton in 'Snowpiercer' © Ascot-Elite
Tilda Swinton in ‚Snowpiercer‘ © Ascot-Elite

Kino im Kopf mit Brigitte Häring. In Nyon waren diese Woche wieder die Dokumentarfilme Hauptsache: David Vogel war für uns an den «Visions du réel». Den neuen Endzeitfilm Snowpiercer hat Hannes Nüsseler gesehen und ich den französischen Märchenfilm La belle et la bête. Und: der britische Schauspieler Bob Hoskins ist gestorben. Ihm ist ein kurzer Nachruf gewidmet. Fünf Kurztipps und eine Tonspur zum Erraten sind auch noch in dieser Filmrolle.

Hören:

Saugen: Filmpodcast Nr. 383 (Rechtsklick für Download)


filmpodcast

Den Filmpodcast können Sie via iTunes oder direkt abonnieren; die entsprechenden Links finden Sie auch oben rechts im Blog.