ZWANZIG REGELN FÜR SYLVIE von Giacun Caduff

Viola von Scarpatetti, Carlos Léal © Praesens
Viola von Scarpatetti, Carlos Léal © Praesens

Heute startet im Kino der erste Spielfilm eines jungen Schweizers, der sein Handwerk als Regisseur und Produzent in Kalifornien studiert hat. 20 Regeln für Sylvie heisst die Chaoskomödie von Giacun Caduff. Sie spielt in der Westschweiz und in Basel. Und bringt damit den Hangover in die Schweiz.

Carlos Léal als Adalbert © Praesens
Carlos Léal als Adalbert © Praesens

Der Westschweizer Star Carlos Léal spielt den vollbärtigen Seilbahnangestellten Adalbert, den überbesorgten alleinerziehenden Vater der zwanzigjährigen Sylvie. Im Hinblick auf ihr angehendes Studium an der Uni stellt er zwanzig Regeln auf und geht in Basel «undercover». Er will sicherstellen, dass sein Töchterchen in der sündigen Weltmetropole weder Sex hat, noch Motorrad fährt. Dabei trifft er allerdings auf eine verkiffte Wohngemeinschaft junger Männer, die es sich zur Aufgabe machen, den Mann seine eigenen Regeln brechen zu lassen.

Carlos Léal und die Jungmänner Joël von Mutzenbecher, Steve Devonas und Manuel Miglioretto © Praesens
Carlos Léal und die Jungmänner Joël von Mutzenbecher, Steve Devonas und Manuel Miglioretto © Praesens

Zwanzig Regeln für Sylvie transponiert geschickt die Mechanik der populären US-Chaoskomödien wie Hangover oder Bridesmaids auf die kleineren Schweizer Verhältnisse – inklusive Röstigraben.

Dabei fällt vor allem die Professionalität ins Auge. Fünf Jahre hat Caduff an dem Projekt gearbeitet. Die Idee stammt von ihm, das Drehbuch aber von Megan Woodward, einer entsprechend ausgebildeten amerikanischen Studienkollegin, die er während seiner Ausbildung in Los Angeles kennengelernt hat. Entsprechend regelkonform und zügig entwickelt sich die Handlung, die Nebenfiguren werden professionell eingeführt und gerade so weit charakterisiert, dass sie ihre Funktion im Drehbuch erfüllen und sich klar voneinander unterscheiden.

Die Technik ist beeindruckend, von der Kamera (Nausheen Dadabhoy) bis zum Schnitt (Gregor Brändli, Giacun Caduff) und die Musikauswahl trägt viel zur chaotisch-sympathischen Stimmung bei.

Vor allem aber hat Caduff auf die sogenannten Production Values geachtet, Kleinigkeiten wie zum Beispiel einen extra angefertigten erotisch-pornografischen Bong aus Glas. Wenn Carlos Léal mit seinem Alpöhi-Bart am gläsernen Fuss eines spreizbeinigen Pin-Ups saugt, ist das tatsächlich ein Bild, das sich einprägt.

Diese Sorgfalt im Detail sei wichtig, sagt Giacun Caduff. Auch wenn Zwanzig Regeln für Sylvie mit vergleichsweise kleinem Budget gedreht wurde, sei das Zielpublikum eben die ausstatterische Opulenz der Vorbilder wie Hangover gewöhnt und brauche diese Kicks im Detail. Die professionelle Bildgestaltung sei da ohnehin vorausgesetzt, auf dokumentarische Wackelbilder lasse sich dieses Publikum nicht ein.

Carlos Léal und Bettina Dieterle als Tig O'Bitty © Praesens
Carlos Léal und Bettina Dieterle als Tig O’Bitty © Praesens

Warum aber kommen Sylvie und ihr Vater aus der Westschweiz nach Basel? Warum diese zusätzliche Hürde der Zweisprachigkeit? Das habe ganz praktische Gründe, sagt Giacun Caduff. Im Drehbuch von Megan Woodward kommt der Vater aus Fresno und hat Mühe, den urbanen Slang in San Francisco und Berkeley zu verstehen. Das hätte kaum funktioniert mit einem Vater aus Graubünden in Basel. Aber mit dem Westschweizer Carlos Léal und der perfekt zweisprachigen Viola von Scarpatetti (die zusammen mit Caduff das Drehbuch adaptiert hat) als Sylvie habe sich das sozusagen von selbst ergeben.

So ist 20 Regeln für Sylvie zum (in sprachlicher Hinsicht) realistischen Röstigraben-Überwinder geworden. Und das ist nicht die einzige Überraschung für all jene, welche sich definitiv nicht mehr zum Hangover-Zielpublikum zählen. Denn die durchaus formelhaft aufgebaute Chaoskomödie beweist immer wieder Charakter. Wie ein Kasperlitheater balanciert der Film Klischee, Klamotte und Frische.

Viola von Scarpatetti und Carlos Léal © Praesens
Viola von Scarpatetti und Carlos Léal © Praesens

Carlos Léal überrascht mit komödiantischem Timing und einer offensichtlichen Spielfreude. Mit Charme und Schalk überspielt er die eigentlich sehr klamottige Dusseligkeit seiner Figur. Das funktioniert nicht zuletzt auch in Kombination mit Viola von Scarpatetti, welche ihre Sylvie mit schöner Zurückhaltung als «straight character» (schöne Ironie für alle, welche den Ausgang des Films kennen), also als «ernsthafte» Figur den komischen Chargen gegenüber stellt.

20 Regeln für Sylvie ist wohl Genrekino für Fünfzehn- bis Dreissigjährige. Aber mit so viel Enthusiasmus und Können gemacht, dass man dem Film auch ein erwachsenes Herz nicht verweigern kann.

Terry Zwigoff (rechts) mit Gässli Film Festival Gründer Giacun Caduff © Thomas Hägler
Terry Zwigoff (rechts) mit Gässli Film Festival Gründer Giacun Caduff © Thomas Hägler

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