Berlinale 15: QUEEN OF THE DESERT von Werner Herzog

Nicole Kidman ist die 'Queen of the Desert' von Werner Herzog © 2013 QOTD
Nicole Kidman ist die ‚Queen of the Desert‘ von Werner Herzog © 2013 QOTD

Wenn Werner Herzog beschliesst, dem „weiblichen Lawrence of Arabia“ ein filmisches Denkmal zu setzen, dann darf man mit Überraschungen rechnen. Die grösste ist vielleicht die, dass ihm mit Nicole Kidman in der Titelrolle tatsächlich ein schwelgerisches Kino-Epos gelungen ist, eines, das seufzende Hingabe beim Publikum durchaus begünstigt.

Nicht nur, allerdings, denn Herzog hat längst seinen eigenen Meta-Stil entwickelt: Er kombiniert die grosse Geste mit der grossen Ironie, und das tut er meisterlich.

Dreharbeiten zu 'Queen of the Desert' von Werner Herzog © 2013 QOTD
Dreharbeiten zu ‚Queen of the Desert‘ von Werner Herzog © 2013 QOTD

Wirklich hinreissend in dieser Hinsicht ist die Eröffnungssequenz des Filmes. Britische Offiziere und Churchill verhandeln am Strategietisch die Aufteilung des mittleren Ostens, des zerfallenden osmanischen Reiches. Sollen sich doch die Franzosen mit den unregierbaren Kurden herumschlagen, und überhaupt seien die ganzen Gebiete auf Jahrzehnte hinaus dem politischen Chaos geweiht, wird orakelt. Das ist zynisch und zutreffend zugleich aus heutiger Perspektive, und dazu passt, wenn als Kenner der Materie der wohlbekannte T.E. Lawrence, bekannt als Lawrence of Arabia, an Tisch steht. Nicht Peter O’Toole natürlich, sondern… Robert Pattinson.

Queen of the Desert von Werner Herzog © 2013 QOTD 1

Als Churchill sich erkundigt, wer denn die Wüstenstämme, die Beduinen und die Drusen und all die verfeindeten Clans am besten kenne, wird einer der Herren vollends ausfällig und schimpft auf „that woman“.

Und schnell wird klar: Es gibt nur einen Menschen, der sie alle kennt und das Vertrauen der meisten geniesst. Es ist die britische Explorerin Gertrude Bell. Ihr wird die Rolle der Königsmacherin zuteil werden, sie wird es sein, welche nach dem ersten Weltkrieg die Haschemiten im Irak und in Jordanien an die Macht bringt, als Könige von Grossbritanniens Gnade, als Garanten für politische Stabilität. Und wieder gilt: Herzogs stummer Kommentar zum Geschehen ist ein heutiger, und durchaus bissiger.

Queen of the Desert von Werner Herzog © 2013 QOTD 2

Dann springt der Film zurück und erzählt in weiten Zügen das wildromantische, selbstbestimmte und auch tragische Leben der Gertrude Margaret Lowthian Bell. Nicole Kidman schafft das Kunststück, die junge Frau eben so strahlend schön und souverän zu verkörpern wie die gereifte und vom Wüstensand gegerbte Forscherin der späteren Jahre. Das liegt natürlich nicht zuletzt an Werner Herzogs Einsatz der Kinotraummaschine.

Mit James Franco als Gertrudes erster grosser Liebe, dem Botschaftssekretär, Kenner der arabischen Welt und Dichtung sowie notorischem Spieler Henry Cadogan, und später Damian Lewis als walisischem Offizier Charles Doughty-Wylie, ihrer zweiten grossen (und unerfüllten) Liebe, spricht Herzog zielsicher alle Gone-with-the-Wind-Instinkte an. Und mit Gertrudes souveränem und aufgeschlossenem Umgang mit den Menschen in ihrem Forschungsgebiet das romantische Ideal von – logisch – Lawrence of Arabia.

Nicole Kidman James Franco Queen of the Desert von Werner Herzog © 2013 QOTD 4
Nicole Kidman und James Franco in ‚Queen of the Desert‘ von Werner Herzog © 2013 QOTD

Wunderschöne Wüstenaufnahmen, edle Scheiche, Pferde, Dromedare… alles ist da, um die längst versunkene Kinoromantik der arabischen Fantasiewelt zum Leben zu erwecken. Und gleichzeitig lässt Herzog die Realität, die Gegenwart, die Machtpolitik immer wieder durchblitzen. Das macht Queen of the Desert zu einem Filmgenuss mit Widerhaken. Es ist gewissermassen ein Film mit zwei Gesichtern. Das romantische Traumgesicht ist da, die Fratze der Realität blickt aber immer auch auf die Sehnsuchtslandschaften hinter den Dünen und hinter der Leinwand.

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