Isabelle Reed (Isabelle Huppert) war eine renommierte Kriegsfotografin. Als der Film einsetzt, ist sie bereits zwei Jahre tot. Anlässlich einer Ausstellung ihrer Bilder will ihr ehemaliger Kollege Richard Weissmann (David Strathairn) in der New York Times einen Erinnerungstext schreiben.
Und dabei – ihrem eigenen Wunsch, das Metier nie zu romantisieren entsprechend – auch klar machen, dass Isabelles tödlicher Autounfall nur Wochen nach ihrem Rückzug aus dem riskanten Arbeitsleben kein Unfall war, sondern Suizid.
Das stürzt den Witwer Gene Reed in Gewissenskonflikte: Soll er seinem ohnehin im pubertären Rückzug steckenden jüngeren Sohn Conrad (Devin Druid) nun endlich die Wahrheit zumuten? Der ältere Sohn Jonah (Jesse Eisenberg), verheiratet und Lehrer an der Uni, ist dagegen.
Es beginnt ein langes Wochenende, als Jonah ins Elternhaus zurückkommt, um dem Vater beim Ordnen des Nachlasses der Mutter zu helfen. Gene bemüht sich, zu seinen Söhnen durch zu dringen, Jonah ist auf der Flucht vor der Überforderung durch seinen eben geborenen ersten Sohn, und Conrad versteckt sich unter Kopfhörern und in Videogames.
Der erste englischsprachige Film des Norwegers Joachim Trier hat eine interessante Erzählstruktur. Das Melodrama um die offensichtlich schon zu Lebzeiten der Mutter eher gestörten Familie wird multiperspektivisch aufgefächert. Der besorgte Vater beobachtet den jüngeren Sohn bei einem bizarren Besuch auf dem Friedhof, wo sich dieser vor einem fremden Grab auf den Boden wirft.
Viel später erzählt dieser jüngere Sohn dem älteren Bruder, dass ihn der Vater nie aus den Augen lasse. Und dass er sich auch beim Friedhofsbesuc beobachtet wusste, das Grab der Mutter nicht finden konnte und darum, um den Vater zu verwirren, auf diesen Einfall gekommen sei.
Der Vater erzählt seiner heimlichen neuen Freundin (die gleichzeitig die Lehrerin seines Sohnes ist, an der Schule, wo auch der Vater unterrichtet), dass er in seiner Verzweiflung begonnen habe, sich in die Online-Games des Sohnes einzuklinken und sich dort eigene Avatare zuzulegen. Bloss, um schon bei der ersten virtuellen Begegnung von seinem Sohn mit einem einzigen Schwertstreich niedergestreckt zu werden.
Das ist visuell überzeugend montiert, die zuweilen groteske Komik steht in einer guten Balance zu den familiären Problemen, und selbst die in gelegentlichen subjektiven Rückblenden auftauchende Mutter erweist sich als Mischung aus liebevoll mütterlich und kühl-depressiver Risiko-Künstlerin. Eine Rolle für die Isabelle Huppert wie geschaffen scheint.
Aber zwischen den Mädchen-Problemen des Teenagers, den Vaterschaftsängsten des älteren Bruders, den Bemühungen des Vaters und den Reflexionen über das Wesen der Kriegsreporter dreht sich der Film kurioserweise an Ort.
Man schaut den Figuren gerne und zuweilen auch etwas schaudernd zu, und der Sog der multiperspektivischen kleinen Maschine lässt sich nicht bestreiten – so lange man drin sitzt. Retrospektiv aber bleibt das Gefühl, sich durch viel unterhaltsamen Schaum gekämpft zu haben, bloss um beim klassischen Problem anzukommen, dass gerade innerhalb einer Familie Kommunikation und individuelle Perspektive manchmal einfach nicht kompatibel sind.
Geschrieben hat Joachim Trier auch diesen Film, wie schon seine norwegischen Produktionen, zusammen mit Eskil Vogt. Und der wiederum hat für seinen eigenen Regie-Erstling Blind letztes Jahr einen weitaus originelleren (und fantastischeren) Weg gefunden, die Diskrepanz zwischen innerer und äusserer Wahrnehmung fruchtbar zu machen.