Locarno 15: FLORIDE von Philippe Le Guay (Piazza Grande)

Jean Rochefort als Claude Lherminier © Frenetic Films
Jean Rochefort als Claude Lherminier © Frenetic Films

Vor 25 Jahren war der stets hinreissende Jean Rochefort für Patrice Leconte Le mari de la coiffeuse. Heute ist er 85 Jahre alt und perfekt in der Rolle des Claude Lherminier, ehemaliger Patron einer Papierfabrik in Annecy, geschiedener Witwer, und der Schrecken all der Haushälterinnen, welche seine energische Tochter Carole immer wieder für ihn anstellt.

Claude ist charmant, oft mit einem strahlendem Lächeln im Gesicht, und er ist überzeugt, alleine ganz gut zurecht zu kommen. Er freut sich auf den Besuch seiner jüngeren Tochter aus Florida, ohne sich einzugestehen, dass diese vor Jahren bei einem Autounfall tödlich verunfallt ist.

Floride wäre bloss ein weiterer gut und sorgfältig gemachter Spielfilm über die Abenddämmerung eines Elternteils, wäre da nicht Rochefort mit seiner unglaublichen Präsenz noch in der rührendsten Abwesenheit, und die eben so starke Sandrine Kiberlain als seine Tochter Carole, die ihm auf jeder Ebene Paroli bietet.

Sandrine Kiberlain © Frenetic Films
Sandrine Kiberlain © Frenetic Films

Was Floride allerdings auch exemplarisch zeigt, ist der alte Mechanismus von Fallhöhe und Milieu im Melodram. So richtig schön lassen sich menschliche und vor allem familiäre Probleme einfach am besten im gehobenen bürgerlichen Umfeld ansiedeln.

Sandrine Kiberlain und Jean Rochefort © Frenetic Films
Sandrine Kiberlain und Jean Rochefort © Frenetic Films

Erstens haben die Menschen da die Zeit und das Geld, um sich auf positive wie negative Befindlichkeiten einzulassen. Zweitens machen ein schönes altes Gutshaus und eine Papierfabrik und ein kleiner Roadster und eigene Weine die Ausstattung eines Films einfach interessanter. Und drittens tut es immer gut zu sehen, dass die besser Betuchten die gleichen Probleme haben wie wir alle.

Laurent Lucas © Frenetic Films

Aber abgesehen von all dem bleiben auch am Ende von Floride der menschliche Schmerz und die eigenartige Sentimentalität, mit der Erinnerungen zugleich wehtun und lindern können. Und das alles huscht manchmal innert Sekunden über das Gesicht von Jean Rochefort, wie ein Sonnenstrahl aus einem Gewitterhimmel. Das können nicht viele.

Regisseur Philippe Le Guay  und Jean Rochefort
Regisseur Philippe Le Guay und Jean Rochefort

Kommentar verfassen