ZFF2015: LA PASSION D’AUGUSTINE von Léa Pool

Lysandre Ménard in 'La passion d'Augustine' © filmcoopi
Lysandre Ménard in ‚La passion d’Augustine‘ © filmcoopi

Dass sie einmal einen Film mit Nonnen machen würde, hätte sie selber nie geglaubt, sagt die schweizerisch-kanadische Filmemacherin Léa Pool. Am Zurich Film Festival feierte La passion d’Augustine Premiere, in einer Galavorstellung. Im Zentrum steht eine Nonne und ihre Leidenschaft zur Musik.

'La passion d'Augustine' © filmcoopi
‚La passion d’Augustine‘ © filmcoopi

Kanada, Ende der 60er Jahre: die Schulen werden verstaatlicht, viele kirchliche Schulen geschlossen. Eine Klosterschule unter der Leitung der musikbegeisterten Schulleiterin und Nonne Augustine (Céline Bonnier) wehrt sich gegen die Schliessung. Im kleinen Klösterchen im Quebecer Land werden hochbegabte junge Pianistinnen ausgebildet, das Leben in der Klosterschule ist nicht geprägt von klösterlicher Stille und Einkehr. Überall wird gesungen, Klavier gespielt, sogar die Böden werden tanzend geputzt. Schwester Augustines «Passion» ist zunächst noch kein Leidensweg, sondern eine Leidenschaft. Selber eine grosse Pianistin, bringt sie viele junge Talente dazu, Wettbewerbe zu gewinnen, weiter zu kommen. Und ihre Nichte Alice (Lysandre Ménard), die zunächst etwas widerwillig in die Schule eintritt, ist die begabteste von allen.

Aber dann holt der Zeitgeist das Kloster ein: die Kirche verliert ihre Übermacht in Quebec, Klosterschulen werden reihenweise geschlossen, das öffentliche Schulsystem gestärkt. Die Nonnen und ihre Schülerinnen kämpfen um ihre Schule.

'La passion d'Augustine' © filmcoopi
‚La passion d’Augustine‘ © filmcoopi

Nachdem Léa Pool sich in ihrem letzte Film La dernière fugue mit Alter und Tod auseinandergesetzt hat, ist sie in La passion d’Augustine zur Jugend zurückgekehrt. Es ist immer wieder verblüffend, wie gut die Regisseurin Kinder und Jugendliche inszeniert. In La passion d’Augustine hat sie ausserdem nicht mit jungen Schauspielerinnen gearbeitet, sondern mit Musikerinnen, mit Pianistinnen und Sängerinnen. Denn die Musik spielt eine Hauptrolle in diesem feinen Drama um die Schülerinnen, die um ihre Schule kämpfen.

Céline Bonnier und Lysandre Ménard in 'La passion d'Augustine' © filmcoopi
Céline Bonnier und Lysandre Ménard in ‚La passion d’Augustine‘ © filmcoopi

Das sei eine grosse Herausforderung gewesen, erzählt die Regisseurin. Sie habe aber unbedingt die Authentizität in den Musikszenen haben wollen – keine geschnittenen Klavierszenen mit fremden Händen. Weil sie so die volle Emotionalität ihrer jungen Darstellerinnen habe abholen können, weil man das immer spüre auf der Leinwand, wenn Musik auch wirklich gespielt werde.

Lysandre Ménard in 'La passion d'Augustine' © filmcoopi
Lysandre Ménard in ‚La passion d’Augustine‘ © filmcoopi

Mit Emotionen spielt Léa Pool gern, und sie scheut sich nicht, sie gross anzurühren, das Publikum auch mal gezielt zum Weinen zu bringen. Der Grat zwischen Emotionalität und Pathos sei dünn, sagt Léa Pool. Und es mache ihr Spass, den immer wieder auszureizen aber nicht zu überschreiten.

Céline Bonnier in 'La passion d'Augustine' © filmcoopi
Céline Bonnier in ‚La passion d’Augustine‘ © filmcoopi

Mit der Schwester Augustine steht im Zentrum dieses Films eine starke Frauenfigur, viel mehr Kämpferin für die Musik und die Autonomie der Frauen als strenggläubige Nonne. La passion d’Augustine ist auch kein Film der vom Widerstreit der Religion mit der modernen Gesellschaft erzählt. Oder nicht nur, denn natürlich dokumentiert er ein wichtiges Kapitel kanadischer Geschichte. Aber es ist vor allem ein starker Frauenfilm, ein emotionales Drama, ein Film mit grossem Ensemble, wunderbar ausgestattet und sorgfältig in die Jahreszeiten eingebettet, in denen er spielt.

Das ist mal wieder ein Film, der im Kino eine unglaubliche Kraft und Energie ausstrahlt. Dank der Musik, dank der vielen Gruppenszenen, dank dem intensiven Spiel der Darstellerinnen und dank der Leidenschaft, der Passion, die Léa Pool für ihre Filme hat. Sie weine zwar nicht mehr, wenn sie den Film anschaue, aber sei doch jedes Mal noch berührt und stolz, wenn sie sich am Anfang jeder Vorstellung eine Viertelstunde anschaue. Wir aber, wir lachen und weinen in diesem Film, der so richtig wunderbar gut tut.

Der Film kommt in der Deutschschweiz am 21.Oktober 19. Nov. 2015 ins Kino.

Filmemacherin Léa Pool © filmcoopi
Filmemacherin Léa Pool © filmcoopi

 

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