SFT 16: DER GROSSE SOMMER von Stefan Jäger

Mathias Gnädinger als Anton Sommer © Impuls
Mathias Gnädinger als Anton Sommer © Impuls

Im letzten Jahr ist der Schweizer Schauspieler Mathias Gnädinger gestorben. Heute hatte sein letzter Spielfilm Premiere an den 51. Solothurner Filmtagen. Der grosse Sommer zeigt den grossen Gnädinger noch einmal in seiner ganzen Wucht. Der Film selbst ist deutlich kleiner.

Solothurnbalken2016

Rentner Anton Sommer (Mathias Gnädinger) bastelt Flaschenschiffe und will seine Ruhe haben. Allerdings träumt der zehnjährige Enkel seiner Vermieterin im Stock über ihm von einer Karriere als Sumo-Ringer.

Loïc Sho Güntensberger und Mathias Gnädinger © Impuls
Loïc Sho Güntensberger und Mathias Gnädinger © Impuls

Das enthusiastische Gestampfe von oben stört die feine Bastelarbeit unten.

Aber dann stirbt die Grossmutter und der kleine Hiro verspricht Anton Sommer, er dürfe im Haus, das er eben geerbt hat, wohnen bleiben. Falls er ihn dafür nach Japan begleite. Denn seit Hiros Eltern bei einem Unfall gestorben sind, möchte der Junge in jene Sumo-Schule, die schon sein japanischer Vater besucht hatte.

Loïc Sho Güntensberger und Mathias Gnädinger © Impuls
Loïc Sho Güntensberger und Mathias Gnädinger © Impuls

Es ist ein Standard-Plot, den «Der grosse Sommer» hier auftischt. Die Geschichte vom sonnigen Kind, welches mit seiner direkten Art einen vergrummelten alten Mann noch einmal ins Leben zurückholt.

Dagegen ist an und für sich nichts einzuwenden, wir haben uns oft und gerne rühren lassen von dieser Mechanik, spiele sie nun beim kleinen Lord Fauntleroy in England oder in der Schweiz zwischen dem Alpöhi und dem Heidi.

Mathias Gnädinger © Impuls
Mathias Gnädinger © Impuls

Der junge Hiro (Loïc Sho Güntensberger) hat sich den brummligen Alten als Begleiter gewünscht, weil er weiss, dass der einmal «ein Böser» war, ein Schwingerkönig. Bis ihn eine persönliche Tragödie zum Rückzug zwang. Und der Alte, das wissen wir, weil ihn Mathias Gnädinger so spielt, hat unter der Kruste noch immer das grosse ehrliche Herz, das der Junge mit seinem Enthusiasmus bald wieder zum Schlagen bringt.

Aber die beiden jungen Drehbuchautoren Theo Plakoudakis und Marco Salituro machen es sich und dem Publikum eine Spur zu einfach. Japan gibt zwar eine schön exotische Kulisse ab und viele Gelegenheiten, Gnädinger kopfschüttelnd kulturgeschockt «cheibe Japaner» brummeln zu lassen. Aber dramatische Entwicklungen gibt es kaum.

Loïc Sho Güntensberger und Mathias Gnädinger © Impuls
Loïc Sho Güntensberger und Mathias Gnädinger © Impuls

Die Sprachbarriere wird mit einem Japanisch und Schweizerdeutsch sprechenden Übersetzungscomputergadget überwunden, Rückschläge auf der Reise durch wundersame Begegnungen aufgefangen, und die schöne alte Japanerin, die Sommer sofort gefällt, verliebt sich ohne zu zögern in den schwergewichtig schnaufenden Schweizer.

Mitsuko Baisho, Mathias Gnädinger © Impuls
Mitsuko Baisho, Mathias Gnädinger © Impuls

Auch das geht. Aber eben nur, weil Mathias Gnädinger den Alten spielt. Und weil das Publikum die Spielregeln des Films schon nach zehn Minuten begriffen hat und unter den gegebenen Umständen auch rührungswillig mitspielt.

Man hätte Mathias Gnädinger einen komplexeren, vielschichtigeren Film zum Abschied gewünscht. Aber der Mann hat schliesslich jeder seiner Figuren Leben und Menschlichkeit verliehen, dem Gemeindepräsidenten, dem Kommissar Hunkeler, ja selbst Göring in Der Untergang und dem fiesen Organhändler im «Bestatter».

Mathias Gnädinger, Loïc Sho Güntensberger © Impuls
Mathias Gnädinger, Loïc Sho Güntensberger © Impuls

Dass es ihm dann auch bei diesem etwas formelhaft geratenen Alpöhi-Klon in Der grosse Sommer gelungen ist, ist nicht wirklich überraschend. Aber es zeugt von der Kraft und dem Können eines Schauspielers, den wir in der Schweiz nun erst recht vermissen werden.

sommer_14

Die Solothurner Filmtage zeigen Der grosse Sommer noch einmal am Montagabend.
Im Kino läuft der Film ab Donnerstag, 28. Januar 2016.
SRF hat diesen Film koproduziert.

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