BELGICA von Felix van Groeningen

'Belgica' © filmcoopi
‚Belgica‘ © filmcoopi

Mit seinem belgischen Country-Music-Familiendrama The Broken Circle Breakdown landete Regisseur Felix van Groeningen 2012 einen Kinohit. Jetzt legt er nach mit Belgica, der Geschichte zweier Brüder und eines Nachtclubs. Die Musik dazu kommt von den «Soulwax»-Brüdern Stephen und David Dewaele.

Dass ein Film aus Belgien am renommierten Sundance-Festival in den USA eine Reihe eröffnet, ist nicht alltäglich. Aber Belgica von Felix van Groeningen bietet Style und Sound und Bruderzwist mitten im dampfenden Nachtclubleben von Ghent.

Lebenslust im 'Belgica' © filmcoopi
Lebenslust im ‚Belgica‘ © filmcoopi

Belgica, so heisst ein kleines Café in der Stadt, das Jo (Stef Aerts) gekauft und aufgepeppt hat. Eine bunte Szene jeglichen Alters tummelt sich da, nachbarschaftlich und friedlich. Jos älterer Bruder Frank sieht Potential in der kleinen Bude und vor allem im grossen Saal im Hinterhaus.

 

Beeindruckt vom Unternehmensgeist des jüngeren Bruders schleppt Frank einen befreundeteten DJ an, und bald schmieden die Brüder konkrete Ausbau-Pläne, auch wenn Franks Frau dagegen ist. Sie fühlt sich allein gelassen mit dem Kind und der Hundepension, während ihr Mann plötzlich wieder das satte Leben vor sich sieht.

Plakat 'Belgica' © filmcoopi
Plakat ‚Belgica‘ © filmcoopi

Das Logo des geplanten Clubs zeigt einen Elch beim Besteigen eines Nashorns, ein Motiv, das auch das Filmplakat von Belgica irritierend attraktiv macht. Und zudem Franks Charakter ganz gut abbildet. Denn dieser Frank ist ein charismatischer Charmebolzen, eine Wildsau, ein Gebrauchtwagenhändler mit Instinkt und Lebenslust, ein Mann, der eine Betriebsbewilligung auch mal über Bestechungsgelder organisiert oder im Suff mit den Fäusten argumentiert.

Tom Vermeir als Frank © filmcoopi
Tom Vermeir als Frank © filmcoopi

Ursprünglich war für die Rolle Belgiens Star Matthias Schoenaerts (Bullhead, De rouille et d’os) vorgesehen. Schoenaerts war verhindert, aber Tom Vermeir, der die Rolle übernommen hat, steht ihm in Sachen körperlicher und schauspielerischer Präsenz nicht nach. Er ist der ideale Gegenpart für den schmalen, drahtigen Stef Aerts. Und der wiederum spielt seinen vernünftigen, bedächtigen Jo mit zugeklebtem linkem Auge ganz nahe am Vorbild. Denn die Brüder, deren Nachtclub-Geschichte van Groeningen erzählt, die gab es wirklich.

Die Brüder (Stef Aerts 2. v.l. und Tom Vermeir, rechts ) und die Freunde © filmcoopi
Die Brüder (Stef Aerts 2. v.l. und Tom Vermeir, rechts ) und die Freunde © filmcoopi

Im Film stellen die zwei im Nu eine bunte internationale Truppe zusammen, mit einem Koch aus Nordafrika, Barmädchen aus der Vorstadt, einem liebevollen Fetzen als Rausschmeisser. Freundinnen und Freunde, alle helfen bei Ausbau und Planung des «Belgica».

Besonnen und charmant: Jo (Stef Aerts) © filmcoopi
Besonnen und charmant: Jo (Stef Aerts) © filmcoopi

Auf die Dienste der lokalen Türsteher-Mafia verzichten die Brüder, ihr Club soll eine «Arche Noah» für alle Feierlustigen sein, kein exklusiver Laden für Tussen und Schnösel.

Dass sich Frank als unstabil und unzuverlässig erweist, dass der Erfolg Probleme mit sich bringt, bis hin zum Brüderzwist, das alles gehört zu diesem Film, der auf der Story-Ebene trotzdem eher dünn bleibt.

Der Laden läuft. Aber die Harmonie ist futsch © filmcoopi
Der Laden läuft. Aber die Harmonie ist futsch © filmcoopi

Aber dafür ist Belgica ein Fest für die Sinne. Die Musiknummern sind gekonnt in einer sagenhaften Live-Atmosphäre inszeniert, zur satten Club-Atmosphäre gesellt sich eine packende Licht- und Farbdramaturgie. Der Film beginnt in warmem Braun, geht über in Rot- und Blauphasen und endet schliesslich in einem melancholischen Morgengrauen.

Belgica ist kein rundes Melodram wie van Groeningens letzter Kinohit The Broken Circle Breakdown. Aber grosses, lautes, ungemein lebendiges Kino für Augen und Ohren. Und das aus Belgien.

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