Cannes 16: PERSONAL SHOPPER von Olivier Assayas (Wettbewerb)

Kristen Stewart als Maureen in ‚Personal Shopper‘ © filmcoopi

Eine amüsante Verquickung von Lifestyle, Kunst und Spiritismus ist Olivier Assayas gelungen, mit Kristen Stewart in der Titelrolle und ektoplastischen Erscheinungen zweifelhafter Natur in diversen Nebenrollen.

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Stewart hat in ihrer Rolle als Assistentin des von Juliette Binoche gespielten Filmstars in Sils Maria nicht nur das Publikum und die Kritiker bezirzt, sondern offensichtlich auch ihren Regisseur. Jedenfalls hat Assayas sie nun gleich noch einmal als Assistentin eines Stars besetzt. Bloss ist diesmal Stewarts Maureen tatsächlich die Hauptfigur.

Kristen Stewart in 'Personal Shopper' © filmcoopi
Kristen Stewart in ‚Personal Shopper‘ © filmcoopi

Sie arbeitet als Personal Shopper für Kyra (Nora von Waldstätten), einen nicht weiter definierten französischen Star. Das heisst, dass sie für die Dame Kleider einkauft, Schmuck, Handtaschen und Accessoires. Stets die neusten Kreationen, stets ausgesuchte Einzelstücke, direkt von den Designern der Modehäuser.

Maureen hasst den Job, eigentlich interessiert sie sich für Kunst, zum Beispiel für Hilma af Klint (1862-1944), welche lange vor den bekannten männlichen Künstlern die abstrakte Malerei erfunden hat. Oder auch nicht, denn die sehr spiritistisch veranlagte Künstlerin bestand darauf, dass ihr Wesen aus dem Jenseits die Kunstwerke in Auftrag gegeben hätten. Darum hat sie auch verfügt, dass ihre Werke erst lange nach ihre eigenen Tod an die Öffentlichkeit gelangen dürften.

Kristen Stewart als Maureen in ‚Personal Shopper‘ © filmcoopi

Aber Maureen ist selber ein Medium, und sie ist ein Zwilling. Oder sie war es, bis ihr geliebter Bruder am gleichen Herzfehler gestorben ist, den sie auch hat. Nun bleibt sie in Paris in der Hoffnung, dass er ihr bald das vereinbarte Zeichen aus dem Jenseits geben wird. Und darum braucht sie den Job bei Kyra.

Diese Motivvielfalt gibt Assayas Gelegenheit, Kristen Stewart durch alle möglichen filmisch attraktiven Sets zu treiben. Durch ein altes aus, in dem sich der erwartete Geist des Bruders dann allerdings als eher fremde Emanation entpuppen wird. Durch Paris Modetempel, wo sie exquisite Kleider einsammelt und gelegentlich auch anprobiert.

Durch den Chunnel im Eurostar nach London, wo sie weitere exquisite Fummel einkauft und anprobiert. Und unterwegs auch noch von einer unbekannten Intelligenz via SMS herausgefordert wird.

Kristen Stewart als Maureen © filmcoopi
Kristen Stewart als Maureen © filmcoopi

Personal Shopper ist ein verspielter Film und – wie oft bei Assayas – auch ein Spiel mit dem Genrekino. Die nebulösen Geistererscheinungen nehmen zuweilen ganz gruslige Erscheinungen an. Ein liebevoll nachgedrehter Film widmet sich den Spiritismus-Séancen von Victor Hugo und ein anderer eben der erwähnten Künstlerin.

Und Lars Eidinger ist im Film. Der geniale deutsche Schauspieler, der schon mehrfach in sehr unangenehmen Rollen sehr angenehm aufgefallen ist, etwa als skrupelloser sexueller Ausbeuter der geistig behinderten Dora im Film von Stina Werenfels. Natürlich ist er auch bei Assayas nicht bloss der Ex-Liebhaber der Kyra, als der er sich vorstellt.

Olivier Assayas ist ein kreativer Eklektiker, ein Sammler und Bastler des Kinos mit einem guten Gespür für das mysteriöse und das Undurchsichtige in der Filmgeschichte. Und wie so oft bei ihm ist die Lust an der angetippten Vielfalt grösser, als der Wille zur erzählerischen Dichte oder zur ästhetischen Konzentration.

Das macht Personal Shopper definitiv nicht zu einem grossen Kunstwerk, nicht einmal zu einem grossen Film. Aber zum vielseitigen Vergnügen mit Chic, Schock und Stewart. Und das kann sich sehen lassen.

 

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