Cannes 16: JUSTE LA FIN DU MONDE von Xavier Dolan (Wettbewerb)

Cotillard, Cassel, Ulliel, Seydoux, Baye © Praesens
Cotillard, Cassel, Ulliel, Seydoux, Baye © Praesens

Das kanadische Wunderkind inszeniert ein Theaterstück von Jean-Luc Lagarce wie eine Oper ohne Gesang. Aber mit viel Musik und mit einer Perlenkette von Stars: Nathalie Baye, Vincent Cassel, Gaspard Ulliel, Marion Cotillard und Léa Seydoux.

Cannes_Balken_2016

Die tragische Schönheit der Kameliendame ist ihr bevorstehender Tod. Und beim schwulen jungen Schriftsteller Louis (Ulliel) ist das nun auch so. Louis hat sich entschieden, seine Mutter und seine Geschwister zu besuchen, die er jahrelang nicht mehr gesehen hat.

Léa Seydoux © Praesens
Léa Seydoux © Praesens

Seine kleine Schwester Suzanne (Léa Seydoux) kennt den Bruder kaum; für sie ist er längst eine Art romantische Legende. Antoine, der Älteste, ist ein Bündel unterdrückter Wut, er spottet und giftelt. Er hat es nie verwunden, das sein Bruder einfach verschwunden ist aus seinem Leben. Antoines Frau Catherine (Marion Cotillard) kennt und erduldet seine Wut; sie scheint sie zu kennen und zu akzeptieren und liebt ihren Mann wie ein krankes Kind.

Nathalie Baye © Praesens
Nathalie Baye © Praesens

Die Mutter schliesslich, schön überkandidelt gespielt von Nathalie Baye, versteht viel mehr, als sie sich anmerken lässt.

Was sie allerdings alle nicht wissen: Louis ist gekommen, um sich zu verabschieden, sie auf seinen Tod vorzubereiten.

Nathalie Baye und Gaspard Ulliel © Praesens
Nathalie Baye und Gaspard Ulliel © Praesens

Das ist natürlich ein einfacher, melodramatischer Hebel, um eine Familienbegegnung fast automatisch höchst explosiv und gefühlsbetont aufzuladen. Und Xavier Dolan ist der letzte, der sich dabei bremsen liesse.

Bilder und Musik, Szenen und Begegnungen, sie alle sind perfekt durchkomponiert, der ganze Film fast schon ein ausgedehnter Musik-Clip (auf die sich Dolan auch bestens versteht, wie er mit Adeles Hello bewiesen hat).

Marion Cotillard, Vincent Cassel © Praesens
Marion Cotillard, Vincent Cassel © Praesens

Allerdings kann auch die grösste Virtuosität der Schauspielerinnen und Schauspieler nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir hier Theaterdialoge vorgesetzt bekommen.

Dolans Bildgewalt entschädigt für einiges davon, und seine ironische Magie, etwa ein echter Vogel, der aus einer Kuckucksuhr geflogen kommt, konterkariert den wagnerianischen Schwulst, wenn der Score (nicht die Songs) einzelne Szenen noch zusätzlich überhöht.

Keine Frage, Juste la fin du monde ist ein echter Dolan, mit all seinen Qualitäten und all seinem Überschwang. Wer sich darauf einlässt, kommt nicht zu kurz.

Aber Wörter hat dieser Film, der aussieht und sich benimmt wie ganz grosses Kino, definitiv zu viele.

Xavier Dolan © Praesens
Xavier Dolan © Praesens

 

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