Die Thailänderin Anocha Suwichakornpong ist eine erfahrene Filmemacherin, und offenbar auch eine reflektierte. Jedenfalls ist Dao Khanong wahrscheinlich in erster Linie ein Film über das Filmemachen.
In aller Regel sind gerade wir Filmjournalisten und -Kritiker die grössten Fans solcher Übungen, kommen sie doch im idealen Fall unserer eigenen Arbeit sehr nahe. Aber leider nicht ins diesem Fall.
Der Film fängt recht vielversprechend an. Männer und Frauen liegen am Boden, die Hände auf den Rücken gefesselt, bewacht von Soldaten. Eine Frau ruft über Megafon Anweisungen, fordert die Soldaten zu mehr Härte auf, zu Fusstritten.
Offensichtlich wird hier eine Filmszene gedreht.
Eine Filmemacherin trifft mit einer älteren Frau in einem gemieteten Bungalow ein, eine Angestellte des Zentrums fragt, ob alles zu ihrer Zufriedenheit sei und verlässt die zwei Frauen.
Die Filmemacherin zeigt der älteren Frau ihr Zimmer und fragt, ob sie heute noch mit der ersten Session anfangen könnten. Später beginnt sie das Videointerview mit der Frau, die sich als Schriftstellerin entpuppt, vor allem aber als Überlebende der blutig niedergeschlagenen Studentenproteste von 1976.
Ein Teil dieser Proteste ist als Spielszene zu sehen. Die Studenten diskutieren, ob es in Ordnung sei dass Sanya Dharmasakti, der Rektor ihrer Thammasat-Universität sich als Übergangspremierminister zur Verfügung stellt. Sie kommen zum Schluss, das gehe nicht an, und organisieren Banner und Flugblätter in der Nacht.
Aber danach kommen andere Figuren dazu, lange traumartige Sequenzen, Erinnerungen. Ein Popstar namens Peter, weitere Frauen. Und zwischendurch taucht immer die gleiche junge Frau wieder in anderen Kellner- und Putzmädchenjobs wieder auf.
Dann folgt die Szene mit Filmemacherin und Schriftstellerin als Spielfilmsszene, mit besser aussehenden Schauspielerinnen und geschliffeneren Dialogen.
Dao Khanong ist ein Babuschka-Film. Wie bei den russischen Holzpuppen steckt immer noch ein weiterer, kleinerer Film im Film.
Aber es ist nicht nur schwer, all den fragmentarischen Handlungen zu folgen, es ist noch viel schwerer, das Interesse an diesen Figuren aufrecht zu erhalten. Ähnlich wie Angela Schanelec mit Der traumhafte Weg hier im gleichen Wettbewerb von Locarno, verweigert sich auch Anocha Suwichakornpong jeder klassischen Erzählstruktur. Immerhin aber hält sie ihre einzelnen Szenen stringent und konsumierbar, so dass man sich dem Ganzen einigermassen ruhig überlassen kann, wie einem fliessenden Gewässer.
Aber auch Dao Khanong ist eine akademische Übung, ein durchdachtes, komplexes Labyrinth von Assoziationen und Verknüpfungen, ein hartes Stück Arbeit für die Willigen, ein bunter Bilderfluss für die Trägen, ein Schulterzucken für die Meisten.