Der Brexit mag beschlossene Sache sein, aber im Kino blitzt zur Zeit eine spanisch-britische Europaproduktion. Paul Laverty, der Drehbuchautor des britischen Altmeisters Ken Loach, hat eine Geschichte geschrieben über eine junge Spanierin und einen alten Olivenbaum. Und Spaniens gefeierte Filmemacherin Icíar Bollaín hat El Olivo gedreht, in spanischen Olivenhainen und Hühnerfarmen, auf französischen Autobahnraststätten und im deutschen Düsseldorf.
Alma (Anna Castillo), eine hübsche junge Frau um die zwanzig, geht langsam und routiniert durch eine riesige Halle voller Hühner. Sie liest zwei tote Tiere auf, dann füttert sie in der nächsten Halle tausende von Kücken.
Draussen in der sengenden Sonne geht Almas Grossvater mit verlorenem Blick durch die Olivenhaine; er liest einen Stein auf und legt ihn auf einen grossen Haufen. Der Alte hat seit Jahren kein Wort mehr gesprochen.
Rückblende in die Zeit des Wirtschaftsbooms, bevor 2007 auch in Spanien die Imobilienblase platzte. Da gab es einen grossen Streit zwischen Almas Grossvater und seinen Söhnen. Almas Vater wollte einen 2000 Jahre alten Olivenbaum verkaufen, um Geld für ein Restaurant aufzutreiben. «Wir alle schuften hier unser Leben lang gratis», sagt der Sohn. «Du kannst den Baum nicht verkaufen. Der gehört dir nicht. Der war vor uns da und der wird auch nach uns noch da sein», meint der Alte.
Aber es hilft nichts, ein paar Tage später sieht die keine Alma entsetzt, wie der riesige Baum mit Motorsägen und Baggern ausgegraben und abtransportiert wird.
Jetzt, mehr als zehn Jahre später, fürchtet Alma um das Leben des geliebten Grossvaters. Reden tut er schon lange nicht mehr; nun verdämmert er zusehends. Alma sucht nach Spuren des Baumes und findet schliesslich heraus, dass er in Deutschland steht, in Düsseldorf, in der Eingangshalle eines Energiekonzerns.
Almas Freundin Wiki findet sogar ein Foto auf der Webseite und meint, mit Photoshop könne sie den Baum überall hin verpflanzen. «Grossvater merkt das», ist Alma überzeugt: «Ich will ihn nicht anlügen.»
Und so denkt sich Alma eine elaborierte Geschichte aus, bringt ihren Onkel und einen Freund dazu, mit ihr und einem geliehenen Lastwagen nach Deutschland zu fahren, um den Baum nach Hause zu holen. Alma hat keine Ahnung wie. Aber das sagt sie ihren Mitstreitern nicht.
Drehbuchautor dieser innereuropäischen Sturkopf-Utopie ist der langjährige Autor der Filme von Ken Loach, Paul Laverty. Entsprechend sind die Figuren aufgestellt: Spanische Olivenbauern im Sog des kapitalistischen Europa, der Kampf einer jungen Frau gegen Windmühlen (ein Stromkonzern in Düsseldorf) und viele verrückte und rührende Einfälle. Ein Film mit grossem Herz und etlichen Logiklöchern, ein Plädoyer für Sturheit, das nicht immer aufgeht, aber mitnimmt.
Die Geschichte um die wild entschlossene junge Frau und ihr verrücktes Vorhaben ist ein Hoffnungsmärchen, eine Don-Quijote-Geschichte, in welche Drehbuchautor Paul Laverty so viel europäische Realität verpackt, dass man seine eigenen Schlüsse ziehen muss.
Und Regisseurin Bollain holt aus ihren starken Darstellern die denkbar stärkste richtige Mischung aus Hoffnung, Verzweiflung und Witz heraus. Das funktioniert nicht immer, eine Szene etwa, in der das Baumrückführungs-Trio in Düsseldorf in hysterisches Gelächter ausbricht, seufzt auf den Stockzähnen leise «Drehbuch». Aber in der Regel überspielen die Darsteller die wenigen Papiermomente souverän.
Für die 22jährige Anna Castillo in der Rolle der Alma könnte die Rolle einen internationalen Durchbruch bedeuten, ihre Mischung aus naivem Trotz und leidenschaftlicher Verzweiflung ist unwiderstehlich.