Venedig 16 : LES BEAUX JOURS D’ARANJUEZ von Wim Wenders

Reda Kateb und Sophie Semin in 'Les Beaux Jours d'Aranjuez' © Donata Wenders
Reda Kateb und Sophie Semin in ‚Les Beaux Jours d’Aranjuez‘ © Donata Wenders

Wim Wenders liebt das 3D-Format. Als einer der ersten hat er die Technik in einem Dokumentarfilm eingesetzt: Pina über die Choreographin Pina Bausch war eine Lektion in Sachen Sehgewohnheiten im Kino (und auf der Tanzbühne). Nun setzt er sein 3D-Abenteuer fort – in seinem Dialogstück Les Beaux Jours d’Aranjuez nach dem gleichnamigen Theaterstück von Peter Handke.

Les Beaux Jours d’Aranjuez ist auf mehreren Ebenen ein radikaler Film. Radikal darin, Handkes Theaterstück nicht wirklich gross zu dramatisieren, sondern auch im Film die beiden Protagonisten, ein Mann und eine Frau, auf eine Bühne, bzw. an einen Gartentisch zu setzen und dort zu verweilen und nur zu sprechen.

Radikal, dass ein deutscher Filmemacher einen österreichischen Dramatiker in französischer Sprache verfilmt.

Radikal ist Wim Wenders auch in seiner Verwendung der 3D-Technik. Denn hier ist diese Optik, die mich als Zuschauerin durch die Leinwand hindurch in die Szenerie mitnimmt, eigentlich ganz und gar nicht nötig, es gibt keine aufregenden Effekte, keine grossen Kamerafahrten, fast nur statische Bilder in einem französischen Herrenhaus und dessen Garten.

Nachdem mich Wim Wenders in einem wunderbaren Filmbeginn mit nimmt durch komplett entleerte Pariser Alleen und Strassen, finde ich mich wieder in der Schreibstube eines Schriftstellers.

Reda Kateb in 'Les Beaux Jours d'Aranjuez' © Donata Wenders
Reda Kateb in ‚Les Beaux Jours d’Aranjuez‘ © Donata Wenders

Er schreibt einen Dialog für eine Frau und einen Mann – durchs Fenster sieht er auf einen wunderbaren Gartenplatz unter einer Pergola, in der Ferne die Stadt Paris – und schliesslich sitzen auf dem Platz tatsächlich der Mann und die Frau, für die er den Dialog schreibt.

Es ist ein Sommerdialog, ein Dialog über Erinnerungen, Sehnsüchte, Leidenschaften – wobei der Mann der Mann der Frau Fragen stellt über ihr Sexualleben, über ihre Leiden- und Liebschaften, während er selber ab und zu eine Geschichte einstreut, Naturmetaphern, Geschichten über Gärten, über Vögel, über Früchte.

Die Freundschaft zwischen dem Filmemacher Wim Wenders und dem Schriftsteller Peter Handke dauert schon 50 Jahre an – drei Filme sind bisher aus dieser Freundschaft heraus entstanden, Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1972), Falsche Bewegung (1975) und nun Les Beaux Jours d’Aranjuez. Peter Handke hat das Stück auf Französisch geschrieben, für seine Ehefrau Sophie Semin – und konsequent verfilmt Wenders es auch in Französisch.

Sophie Semin in 'Les Beaux Jours d'Aranjuez' © Donata Wenders
Sophie Semin in ‚Les Beaux Jours d’Aranjuez‘ © Donata Wenders

Sophie Semin spielt selber die Frau – und das ist, auch wenn sie nicht die beste Schauspielerin sein mag, die einzig richtige Wahl. Denn als Frau beschleicht einen im Lauf des Films immer mal wieder das Gefühl, dass hier einmal mehr ein Mann versucht, die Frauen zu begreifen – der Mann im Stück gibt gar nichts von sich preis, die Frau ihr ganzes Innenleben, das ihr aber von einem Mann zugeschrieben wurde (und von einem weiteren noch filmisch inszeniert wurde).

Reda Kateb in 'Les Beaux Jours d'Aranjuez' © Donata Wenders
Reda Kateb in ‚Les Beaux Jours d’Aranjuez‘ © Donata Wenders

Ihr Dialogpartner wird gespielt von Reda Kateb. Peter Handke selber hat übrigens einen Kurzauftritt als Gärtner – und Nick Cave spielt ein Stück der – wie immer in Wenders‘ Filmen – wunderschönen Filmmusik gleich selber am Flügel im Flur des Schlosses.

Nick Cave in 'Les Beaux Jours d'Aranjuez' © Leocadie Handke
Nick Cave in ‚Les Beaux Jours d’Aranjuez‘ © Leocadie Handke

Les Beaux Jours d’Aranjuez ist kein leichter Film – gerne hätte man diesen Dialogtext schriftlich vor sich, um ab und zu etwas nochmal nachzulesen. Erschwert wurde dieser Umstand am Filmfestival noch dadurch, dass der Film nur in Französisch mit italienischen Untertiteln lief.

Dennoch entwickelt er einen Sog, man sitzt tatsächlich an diesem wunderschönen Sommertag im Garten auf der Anhöhe, in der Ferne flimmert die Stadt Paris. Und das liegt nicht nur, aber zu einem grossen Teil auch an der von Wenders mittlerweile perfekten Beherrschung von 3D, in der weder die Figuren zu klein wirken, noch das Bild zu dunkel ist.

Wim Wenders © Donata Wenders
Wim Wenders © Donata Wenders