Die «Little Men», das sind zwei dreizehnjährige Schüler in Brooklyn, im gleichnamigen Film des New Yorkers Ira Sachs. Ihr Problem sind die Probleme der «Big Men», ihrer Eltern, welche ihre Freundschaft bedrohen. Ein Film über Jugendliche und Eltern, der ohne Hollywoods Harmoniesucht funktioniert.
Wir sind hier wegen der Beerdigung meines Grossvaters, erklärt der dreizehnjährige Jake aus Manhattan dem gleichaltrigen Tony in Brooklyn. – Herzliches Beileid meint Tony. Ach, es geht schon, meint Jake.
Es ist denn auch weniger der Tod des Grossvaters, der ihn erschüttert, als die Aussicht, mit seinen Eltern nun in diesem geerbten Haus in Brooklyn wohnen zu müssen. Aber Tony, entpuppt sich schnell als neuer Freund für den introvertierten Jake. Tony ist der Sohn von Leonor, der langjährigen Mieterin des Ladenlokals im Haus.
«Ich bin so froh, dass Jake so schnell einen Freund gefunden hat, meint Jakes Vater zu Leonor, Sie haben einen tollen Sohn. Aber das muss ich ihnen ja nicht sagen!»
Doch die Welt der Erwachsenen funktioniert nicht bloss über Sympathie. Es geht bloss ein paar Wochen, bis Jakes Eltern Leonores Miete massiv erhöhen wollen. Ihr Mann sei Schauspieler und er habe seit Jahren nie wirklich etwas verdient, erklärt Jakes Mutter der Schneiderin. Und die wiederum meint, das sei doch nicht ihr Problem.
Der Laden müsse die ortsübliche Miete einbringen, finden Jakes Eltern. Leonore kann sich das nicht leisten, sie weigert sich, über eine Mietserhöhung auch nur zu reden. Worauf sich die Söhne gegen ihre Eltern auflehnen, Jake redet nicht mehr mit den seinen, und Tony sagt kein Wort mehr zu seiner Mutter.
Schliesslich explodiert Jakes sonst so liebenswürdiger Vater und erklärt den beiden Jungen, Eltern seien auch Menschen. Menschen, die sich kümmern, die Fehler machen und versuchen, das zu tun, was sie für das richtige halten.
Es ist eine der grossen Stärken dieses Films, dass er ein moralisches Dilemma schafft, ohne dafür einen Schuldigen zu brauchen. Jakes‘ Eltern können es sich schlicht nicht leisten, Leonor den Laden so günstig zu überlassen, wie es der Grossvater jahrelang getan hat.
Und so kommt es, dass die beiden jugendlichen Freunde, die sonst überall füreinander einstehen, dem Konflikt ihrer Eltern nichts entgegensetzen können.
«Little Men» ist zwar um diesen zentralen Konflikt herum gebaut, seine Szenen entwickeln sich aber aus den Figuren heraus, vor allem aus dem Spiel der beiden jungen Schauspieler Theo Taplitz und Michael Barbieri.
Der New Yorker Ira Sachs (Love Is Strange) und sein Drehbuch-Koautor Mauricio Zacharias beziehen sich auf zwei Filme von Japans Altmeister Yasujirô Ozu über Jugendliche, die ihre Eltern bestreiken: I was born but… (1932) und Ohayô (Guten Morgen, 1959). Wie bei Ozu steht auch bei «Little Men» die genaue Beobachtung von Menschen im Zentrum.
Die Szenen aus dem Schulalltag der beiden Jungen sind überzeugend und packend, die Kamera bleibt oft an einem der Gesichter oder an einem Blickwechsel hängen, ohne erzählerische Absicht, eher mit Neugier und mit leiser Verblüffung über die Unausweichlichkeit dieses Erwachsenwerdens, mit all seinen unerwarteten Fallen, die es eben auszuhalten gilt.
«Little Men» ist ein feiner Film über das fragile Spiel von Distanz und Nähe zwischen Eltern und Jugendlichen.