Berlinale 17: TESTRŐL ÉS LÉLEKRŐL (On Body and Soul) von Ildikó Eneydi (Wettbewerb)

‚Testrol és lélekrol‘ (On Body and Soul) von Ildikó Enyedi

Eine erste Perle im Wettbewerb lief schon als zweiter Film des Berlinale-Wettbewerbs: der ungarische Film Testről és Lélekről (On Body and Soul) von Ildikó Eneydi. Die Regisseurin hat schon vor fast 30 Jahren in Cannes ihren ersten Preis bekommen, die Caméra d’or für den besten Nachwuchsfilm mit Mein 20. Jahrhundert. Nur in grossen Zeitabständen dreht die inzwischen 61jährige Eneydi einen Film, dieser nun, Testről és Lélekről ist erst ihr fünfter Langfilm.

Von Körper und Seele erzählt der Film, so sagt es der Titel. Diese Körper und Seelen sind in dieser seltsamen, leisen Liebesgeschichte alle irgendwie beschädigt, geschunden, kaputt und trotzdem wunderschön. Und es ist nur logisch, dass dieser Film in einem Schlachthof spielt, wo täglich Kühe reingetrieben werden, wo sie getötet werden, wo ihnen das Blut abgelassen wird und ihre Körper zu anonymen Fleischbrocken verarbeitet werden.

Als Kontrast dazu sieht man immer wieder das Bild eines Hirsches und einer Hirschkuh im schneebedeckten Wald an einem kleinen Teich. Wie Kapiteltrenner wirken diese Bilder des Hirschpaares, das zu zweit durch den Wald streift, nach Futter sucht, im Bach trinkt, sich voneinander entfernt und wieder annähert.

Daneben sind die Szenen im Schlachthof zuweilen schockierend, dokumentarisch real und nicht angenehm anzusehen. Dieser Schauplatz bildet eine merkwürdig stimmige Kulisse für die zarte Liebesgeschichte, die sich zwischen dem Direktor Endre und der neuen Qualitätskontrolleurin Mária entwickelt. Bei beiden ist etwas verkümmert: beim ruhigen gelassenen Endre ist es ein Arm, der gelähmt ist. Bei Mária die Psyche, die einen Knacks hat: die junge Frau ist zwangsneurotisch und hat wohl so etwas wie das Asperger-Syndrom: sozial fast nicht fähig, normal Kontakt aufzunehmen, aber mit einem phänomenalen Gedächtnis ausgestattet.

Die Liebesgeschichte käme wohl nie zustande, wenn nicht wegen eines Diebstahls eine Psychologin in den Schlachthof käme. Alle, inklusive Direktor, werden befragt und müssen ihre Träume erzählen. Und da wird auf einmal klar, was die Hirschszenen bedeuten.

Mária und Endre träumen den gleichen Traum, jede Nacht: Endre ist der Hirsch, Mária die Hirschkuh. Ob dieses komischen und für die beiden auch etwas verstörenden Umstandes kommen sie sich näher, wollen auch tagsüber diese beruhigende Zweisamkeit erleben, die sie in ihren Träumen teilen. Aber in der Wirklichkeit sind Körper und Seelen fragil, verletzt, ist der Umgang schwierig, weniger tierisch intuitiv und gängigen Formeln und Verhaltensmuster unterworfen. Sich da, in der Wirklichkeit mit dem neuen Umstand der wachsenden Verliebtheit zurecht zu finden, fällt vor allem der jungen Frau, die immer noch ihren Kinderpsychologen besucht, sehr schwer. Lieber versucht sie erst einmal, zusammen mit Endre zu träumen – vielleicht geht das ja, wenn beide im gleichen Zimmer (aber ja nicht im gleichen Bett) schlafen.

Mit einem ganz feinen, hintergründigen Humor erzählt Ildiko Eneydi diese Geschichte; und mit unglaublich schönen Bildern. Ganz langsam fängt der Film an, zeigt erst die Hirsche im Wald, dann den Morgen im Schlachthof. Wer keine Beschreibung vorab gelesen hat, wähnt sich in einem Dokumentarfilm. Nach und nach entwickelt sich diese seltsame Geschichte, die sowohl Tiefe als auch Witz hat, nimmt Fahrt auf und scheut durchaus auch dramatisch überhöhte Momente nicht. Testről és lélekről (On Body and Soul), der als zweiter Film hier im Wettbewerb von Berlin läuft, ist ein erstes Meisterwerk hier – und findet hoffentlich den Weg in die Schweizer Kinos.

Ildikó Enyedi