Erinnerungen sind so unzuverlässig, dass sie genau so gut die Zukunft sein könnten. Das stellt die vierzehnjährige Johanna am Ende dieses Films fest. Aber da ist sie vielleicht schon tot.
Johanna ist die Erzählerin dieser Filmgeschichte, sie ist das Auge, es ist ihr Blick. Sie ist dreizehn Jahre alt, als ihr Vater überraschend stirbt. Mit seiner 8mm-Kamera blickt sie fortan auf das Leben mit ihrer kleinen Schwester, der Hündin Cora und der Mutter, im Haushalt der Grossmutter.
Der Film setzt ein mit dem Blick des Vaters 1957; er filmt seine Kleinfamilie in der Wiener Vorstadt, das Idyll, in dem er auch seine Tochter Johanna schon mal auffordert, ihre Krücken für einen Moment aus dem Bild zu stellen. Polio hat nichts verloren in dieser sorgfältigen Nachkriegsidylle.
Aber dann ist er tot und alle gehen zur Tagesordnung über. Bloss die Katze der Nachbarn hat «den Anstand, sich überfahren zu lassen», resümiert Johanna, das Auge stets fest an der Gummilippe des Kamerasuchers und somit selber zwar im Bild über die Geschehnisse, aber nie wirklich im Bild, ausser im Spiegel.
Die Tagesordnung findet allerdings ihre Fortsetzung im Haus der strengen Grossmutter, wo der Grossvater mit seinen Kriegserinnerungen nicht viel zu melden hat und längst auf dem Sofa schläft.
Grossmutter geht nicht zur Kirche. Und auch wenn in ihrem Haus alle grössten Respekt vor ihr haben, stellt Johanna fest, gehen ihr die anderen Frauen auf der Strasse lieber aus dem Weg. Dabei hat die Grossmutter einen rege frequentierten Kochklub, die Frauen kommen gemeinsam, trinken Kaffee und hören Radio.
Hin und wieder verschwindet eine von ihnen mit der Grossmutter im Hinterzimmer und die anderen drehen das Radio lauter.
«Papa hat immer gesagt, man muss schnell sein, wenn man etwas sehen will. Weil alles verschwindet» erinnert sich Johanna. Und ergänzt: «Ich glaube aber, das stimmt nicht. Man muss nur lange genug hinschauen.»
Das tut Sandra Wollner, in einzelnen Kapiteln, anfänglich konsequent mit dem Kamerablick der Johanna, mit dem Bildformat der 8mm Umkehrfilme. Johanna ist sich ihrer Erinnerungen nie ganz sicher, und damit streut sie auch Zweifel an den Bildern, die wir sehen.
Wenn die Familie alte Fotos betrachtet und ein kleiner Junge auf einem alten schwarzweissen Foto im Album von niemandem identifiziert werden kann, erklärt Johannas keine Schwester mit Bestimmtheit, das sei der Emil, mit dem sie am Vortag im Hof gespielt habe. Und Johanna erinnert sich an den Tag, als sie beinahe ertrunken wäre. Das heisst, sie erinnert sich nur an einen Karpfen, den sie unter Wasser gesehen hat, nicht aber daran, wie sie ins Wasser fiel und wer sie wieder herausgefischt hat. Was auch bedeuten könnte, dass nichts an der Erinnerung überhaupt stimmt.
Sehr spät im Film kommt der Haupttitel als Kapitelüberschrift, und das «unmögliche Bild» entpuppt sich als Kamerablick auf Johanna selbst. In einer kurzen, eindrücklichen Sequenz sitzt nämlich der Vater plötzlich im Schlafzimmer der Grossmutter, und fortan scheint er die Kamera wieder zu führen. Johanna hat einen entäusserten Blick auf sich selber und kommentiert ungerührt weiter.
Das unmögliche Bild ist im Rahmen des Studiums der Autorin an der Filmakademie Baden-Würtemberg entstanden und weist Sandra Wollner als grosses, eigenständiges Talent aus. Den «Förderpreis Neues Deutsches Kino» der Hofer Filmtage hat sie mehr als verdient. Das ist ein Film mit einem radikal eigenen Blick, einer überaus weiblichen, aber universell zugänglichen Perspektive, verblüffend, spannend und erschreckend.