Cannes 17: THE MEYEROWITZ STORIES von Noah Baumbach

Dustin Hoffman und Emma Thompson © Netflix
Adam Sandler und Ben Stiller sind die Halbbrüder Meyerowitz, Dustin Hoffman spielt ihren Vater, Emma Thompson dessen dritte Frau.

Nein, das ist keine Klamauk-Komödie. Adam Sandler habe ich noch nie so ernsthaft und gut gesehen, Emma Thompson selten so betrunken. Und Dustin Hoffmann? Nun, in Little Big Man war er schon älter. Aber eigentlich war er noch nie so alt und grantelig und rührend und hilflos und zugleich unausstehlich.

Noah Baumbach erzählt wieder, wie in seinem Durchbruchs-Hit Frances Ha, mitten aus New York heraus in die Welt hinein. Zunächst sehr amerikanisch, sehr Big Apple, locker, verspielt, souverän neurotisch wie in den besten Woody Allens.

Grace Van Patten, Adam Sandler, Ben Stiller, Elisabeth Marvel © Netflix
Sandlers Danny kommt mit dem Auto und seiner eben ausfliegenden Tochter Eliza ins Stadthaus seiner Vaters, dem pensionierten Kunstlehrer und Skulptur-Künstler Harold Meyerowitz. Seine Schwester Jean ist schon da, Harolds dritte Frau («Total besoffen», warnt Jean), hat einen Haifisch-Eintopf gekocht und einen Hund gekauft.

Weil Eliza aufs College geht, können sich ihre Eltern endlich trennen und Hausmann Danny, der keinen Beruf gelernt und kein Einkommen hat, will für die Übergangszeit im Haus seines Vaters unterkommen.

Das ist die Ausgangslage für diesen Film, der in einzelnen chronologisch verknüpften Kapiteln die Meyerowitz-Familienmitglieder vorstellt. Scheidungskinder in Scheidung, frustrierte Halbgeschwister, der erfolgreiche Finanzmanager Matthew (Ben Stiller), auf den der Vater sozusagen ausschliesslich stolz ist, der aber seinerseits mindestens so viel Vaterfrust mit sich herumträgt wie seine Halbgeschwister.

Adam Sandler, Ben Stiller, and Elizabeth Marvel in ‚The Meyerowitz Stories‘ © netflix
Baumbach erzählt flüssig, die Figuren reden aneinander vorbei, nicht wie im klassischen Mumblecore, sondern artikuliert und trennscharf auf der Tonspur. Wer aufpasst, bekommt doppelt so viel Monolog in der Zeit, in welcher andere Filme halb soviel Dialog durchjagen.

Zu Beginn des Films bewahren all diese New Yorker die Contenance, auch wenn sie sich grausam auf die Nerven gehen. Später wird einiges komplizierter und auch schmerzlicher, zum Glück. Denn mit diesen Themen, insbesondere frustrierte Kinder und das Altern der Eltern, gehen die Meyerowitz Stories zunehmend unter die Haut.

Grace Van patten, Adam Sandler, Ben Stiller, and Elizabeth Marvel in ‚The Meyerowitz Stories‘ © netflix
Dabei bleibt das ein schön ausgestatteter, sehr diskret gefilmter und montierter Schauspieler-Film. Nichts lenkt ab, keine formale Spielereien, mit Ausnahme der in jüngerer Zeit vor allem in (Netflix-) Serien in Mode gekommenen abrupten Tonschnitte an den Kapitelenden. Die wirken wie ein Abreissen. Die hellen Zwischentitel, welche die Geschichte des nächsten Familienmitglieds ankündigen, unterbrechen damit fast wie früher «Freeze Frames» den Erzählfluss, der dann aber ohne Duktusveränderung einfach weitergeht.

Viele der Dialoge und alle der Un-Dialoge sind urkomisch. Dazu kommen Alltagsbeobachtungen, Idiosynkrasien der Figuren, vor allem jene des wirklich alterssturen Harold, und zunehmend Ausbrüche und Ausraster, die für eine dramaturgische Dichte im oberflächlich eleganten Erzählen sorgen.

Dustin Hoffman und Noah Baumbach © Netflix
The Meyerowitz Stories (New and Selected) reihen sich auf den ersten Blick nahtlos ein in die grosse Tradition der amerikanischen Familientreffen wie Home for the Holidays, die meist eine Figur ins Zentrum rücken. Aber in ihrer dezentralen, flüssigen, multiperspek-tivischen Erzählweise sind sie doch auch wieder einzigartig. Dieser Film ist anspruchsvoller und schmerzlicher, als er sich gibt, und damit so unterhaltsam wie nachklingend.

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