NIFFF 17: DAVE MADE A MAZE von Bill Watterson

© Dave Made An LLC
Ein Maze ist ein Labyrinth, ein Irrgarten. Also ein Ort, in dem man sich verlieren kann, verirren. Genau das passiert dem Bastelfreak Dave, als seine Freundin Annie ein paar Tage weg ist. Er baut im Wohnzimmer aus leeren Kartons ein Labyrinth und findet dann nicht mehr heraus.

Als Annie nach Hause kommt, ist sie nicht sonderlich erstaunt über die Kartonburg im Wohnzimmer, sie kennt ihren Dave offensichtlich. Dass er aber aus dem Schachtelgebilde heraus behauptet, er fände den Weg hinaus nicht mehr, sie solle doch bitte seinen besten Freund anrufen, das macht die junge Frau dann doch stutzig.

Ihr energischer Versuch, einen der Kartons einfach mit dem Teppichmesser aufzuschlitzen, um Dave rauszuholen, endet mit lauten Lärm aus dem Gebilde, und Protestgeschrei von Dave. Das Labyrinth sei unendlich viel grösser innen, als es von aussen den Anschein mache, lässt er verlauten, mit einer Stimme, die tatsächlich von weit unten zu kommen scheint.

Annie (Meera Rohit Kumbhani © Dave Made An LLC
Aber schliesslich ist die Wohnung voll mit Daves Freunden, einer von ihnen hat sein Filmteam mitgebracht, um die Rettungsaktion zu dokumentieren, und Annie wird die Sache zu blöd. Teppichmesser in der Hand krabbelt sie durch den Eingang, alsbald gefolgt von der ganzen Gruppe.

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Kino ist darum so wundervoll, weil es der Fantasie keine Grenzen setzt. Wenn Dave erklärt, das Labyrinth sei innen viel grösser, als es von aussen aussehe, dann ist das einfach so. Die erstaunte Annie und ihre Rettungsmannschaft verlieren sich nämlich alsbald in diesen komplett aus Karton gebauten Gängen und Höhlen, und bald zeigt sich auch, das Dave nicht zuviel versprochen hat, als er sie vor den drohenden Gefahren warnte.

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Komplexe Mechanismen mit Stangen und Kartonzahnrädern werden in Bewegung gesetzt, eine der Frauen wird schon bald von einer Karton-Guillotine geköpft. Statt Blut fliessen dann allerdings rote Bänder, und überhaupt wirkt die Maschinerie, als ob Michel Gondry die Tunnelszenen aus Raiders of the Lost Ark nachgebastelt hätte.

Zwischendurch verwandelt sich der ganze Suchtrupp, inklusive Dave, den sie bald finden, in eine Reihe von wundervollen kleinen Karton-Figuren, die von einem Minotaurus mit Kartonkopf in die nächste Labyrinth-Ebene gejagt werden.

Der Minothaurus (John Hennigan) © Dave Made An LLC
Es ist nicht nur die hinreissende Verspieltheit und der Einfallsreichtum, welche Dave Made a Maze so unwiderstehlich machen. Dazu kommt nämlich noch die kindlich trotzige Haltung des Bastel-Träumers Dave selber. Er ist derjenige, der tausend Ideen hat, und keine zu Ende führt. Der Kind-Mann, der dauernd ernsthaft spielt und in der effizienten Alltagswelt keine eigene Nische gefunden hat.

Dave (Nick Thune) © Dave Made An LLC
Darum besteht er auch darauf, dass das simple Niederreissen des Labyrinths keine Lösung sei, dass er das Konstrukt vielmehr konsequent zu Ende bauen müsse, bevor man es zerstören können. Diese Binnenlogik der Figur überträgt sich auch auf den Film, der mit Klamauk und Satire, Verspieltheit und unendlichem Einfallsreichtum genau darauf dringt: Es gibt kein Zurück, die Konstruktion muss zu Ende gedacht und gebaut werden, der ganze Film wird erst lebendig, wenn die irrwitzige Prämisse geschluckt, verdaut und umgesetzt wird.

«Suspension of disbelief» ist das Standardkonzept des fantastischen Films, der freiwillige, temporäre Verzicht auf Plausibilitätshuberei durch das Publikum. So funktionieren Zaubertricks, und so funktionieren die meisten Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.

Dass Bill Watterson mit diesem Film genau dieses Konzept sozusagen in Karton visualisiert, macht den Film zu seinem eigenen irrwitzigen Gottesbeweis. Wer Gott ist, und wer nicht, liegt nicht in der Hand des Machers. Ein Werk entwickelt ein Eigenleben, mit inhärenten Gefahren und Chancen. Und ob ich mich als Zuschauer darauf einlasse, ist massgebliche Voraussetzung, um schliesslich aus wieder hinauszufinden.

Dass am Ende nicht nur Dave und die (meisten seiner) Freunde wieder auftauchen, sondern auch der Minotaurus: Das bezeichnet die Quintessenz dessen, was Kino leisten kann.

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