Wikimedia George Romero, 66ème Festival de Venise
Die auf absolut gedanken- und gefühlslosen Konsum ausgerichteten Zombies sind zur populärsten Gesellschaftsmetapher des 21. Jahrhunderts geworden. In unzähligen Filmen und erfolgreichen Serien wie «The Walking Dead» spiegeln sie unsere Gesellschaft, die sich selber nicht mehr erkennt. Gestern ist 77jährig George A. Romero gestorben, der Filmemacher, der die moderne Zombiefigur 1968 erfunden hat.
Hinter seiner riesigen schwarzen Hornbrille blitzen hellwache Augen, umspielt von hunderten von Lachfältchen. George Andrew Romero hat ein paar der furchterregendsten Horrorfilme des 20. Jahrhunderts gedreht. Aber an diesem Morgen vor zehn Jahren, am Ufer des Neuenburgersees am NIFFF, entpuppt er sich als fröhlicher und liebenswürdiger Menschenfreund. Er halte sich an ein Diktum von Horror-Autor Stephen King sagt er. Er habe keine Alpträume, weil er sie alle an uns weiter reiche.
Als der junge Kunststudent 1967 mit ein paar Freunden und etwas über 100’000 Dollar in Pittsburgh «Night of the Living Dead» drehte, die Nacht der lebenden Toten, war das eine Reaktion auf den Vietnamkrieg und den Rassismus der Zeit.
Romero hat die Zombies nicht erfunden, das Konzept stammt aus der haitianischen Voodoo-Tradition. Aber «Night of the Living Dead» machte den Schritt in die Moderne, die lebenden Toten des Films waren die Angehörigen und Nachbarn der Protagonisten, die plötzlich zu hirnlos mörderischen Gegnern wurden. Und der wahre Horror des Films bestand in dem, was die Überlebenden mit den Zombies machten.
«Mir macht das Angst, was Menschen einander antun», sagte George Romero: «Ich mache Filme über Menschen, nicht über die Monster.»
Die Monster tauchten bei Romero ohne Erklärung auf und zeigten, wie leicht sich Menschen in Monster verwandeln. Die Zombies in Romeros Filmen waren zwar Schreckensgestalten, aber vor allem darum, weil sie die Menschen in den Filmen dazu brachten, ihre Menschlichkeit aufzugeben und sich vor jenen zu fürchten, die eben noch ihre Kinder oder Eheleute gewesen waren. Etwa in jener Szene in Romeros erstem Zombie-Film, in dem ein paar Männer zum Vergnügen Zombies aus sicherer Distanz über den Haufen schiessen.
Die heutigen Zombies in Serien wie «The Walking Dead» stellen zwar eine Gefahr für die Lebenden dar, aber letztlich sind sie nur ein Spiegel der Entmenschlichung, die einsetzt, wenn jegliche Solidarität verloren geht. Die wahren Monster in «The Walking Dead» sind jene Überlebenden, die keine Skrupel mehr haben.
George A. Romeros Interesse galt Zeit seines Lebens den Zombies als unschuldigem Spiegel der Entmenschlichung. Wenn die Tochter der Hauptfigur gebissen und selber zum Zombie wird, trifft sie keine Schuld. Aber für ihre Familie wird sie plötzlich zur mörderischen Gefahr.
In seinen letzten Filmen, Diary oft he Dead und Survival of the Dead bilden die Untoten gar eine Art Interessengemeinschaft, solidarisieren sich untereinander und wehren sich gegen ihre Abschlachtung durch die Menschen. Er fürchte sich nicht vor Monstern, erklärte Romero im Gespräch vor zehn Jahren, auch nicht vor Geistern, er würde lieber einen treffen.
Und auch ein Alien würde er gerne treffen – es würde sich vielleicht ja gar als Weltretter entpuppen.
Mit der zunehmend unsolidarischen Gesellschaft in den USA, den überfüllten Gefängnissen und den immer grösser werdenden Unterschiede zwischen Arm und Reich bekundete Romero seine Mühe. Ein paar Jahre lebte er gar in Kanada, weil er sein Land nur noch schwer ertrug.
Denn das sei es letztlich, was ihn wirklich fertig mache, sagte der Erfinder der modernen Zombies: Das was wir Menschen uns gegenseitig antun.