Die in Bethlehem geborene Annemarie Jacir setzt sich immer wieder mit ihrer Heimat Palästina und dem Exil auseinander. Wajib ist nun zugleich ein Film über allgemeine Familienkonstellationen und über diese ganz spezielle, wie sie sich in Nazareth ergeben kann.
Vater Mohammad und Sohn Saleh Bakri spielen Vater und Sohn in Wajib. Abu Shadi war und ist ein palästinensischer Lehrer in Nazareth, unter strenger Kontrolle und Beobachtung durch die israelischen Behörden. Sein Sohn Shadi lebt als Architekt in Italien und ist über die Weihnachtstage zurück gekommen für die bevorstehende Hochzeit seiner Schwester.
Wajib ist die (Verwandschafts-)Pflicht, welche der Sohn wahrnimmt, indem er mit seinem Vater im alten Familienvolvo durch die Stadt fährt, um überall persönlich die Hochzeitseinladungen zu überbringen.
Das macht Wajib zu einem Vater-Sohn-Road-Movie mit sehr vielen Stationen und sehr wenig Road. Gleichzeitig erlaubt diese Ausgangslage Besuche in unzähligen Wohnungen, bei Freunden, Verwandten, aber auch bei heimlichen Feinden der Familie.
Zumindest empfindet der Sohn die geplante Einladung des israelischen Schulinspektors an die Hochzeit seiner Schwester als Affront, während sein Vater erklärt, der Mann sei kein Spion, sondern sein Freund, er sei stets auf seine Unterstützung angewiesen gewesen.
Das ist der Hauptkonflikt zwischen Vater und Sohn. Die Möglichkeit, ein Leben im besatzungsähnlichen Zustand zu führen, welche der Vater als Lehrer vorgezogen hat, oder das Exil, das der Sohn – offenbar angeregt vom Vater – in Italien gefunden hat.
Der andere, nicht wesentlich kleinere dreht sich um die Mutter, welche die Familie und ihren Mann zum Entsetzen der Nachbarn und Verwandten schon lange verlassen hat, um ebenfalls im Ausland mit einem anderen Mann zu leben. Ob diese Mutter nun zur Hochzeit kommt oder nicht, das ist lange Zeit eine der unausgesprochenen Kernfragen.
Wajib ist ein sorgfältig geschriebener und inszenierter Film, manchmal fast ein wenig zu sorgfältig, zu durchdacht, wie schon Jacirs Salt of this Sea, welche einen vergleichbaren Rückkehrer-Blick auffächerte. Dieses Mal aber tritt die Konstruktion hinter der Leistung der Darsteller zurück und es bleibt eine anregende, mitfühlende Familien-Momentaufnahme mit viel politischem Hintergrund.
Dass Politik nie abstrakt bleibt, dass immer Menschen betroffen sind, das geht im (journalistischen) Alltag manchal vergessen. Wajib dreht den Blick, zeigt die Menschen und das, was die Politik in ihrem Leben anrichtet.
Dass der Film und seine Familienkonstellation darüber hinaus eine universale Gültigkeit entwickelt, macht ihn zu einem nachhaltigen, nachdenklichen Erlebnis.