Berlinale 18: LAS HEREDERAS von Marcelo Martinessi (Wettbewerb)

Ana Brun, Margarita Irún © lababosacine

Zwei alternde Lesben sehen sich gezwungen, das Familiensilber zu verkaufen. Mit so einem Satz wird man diesem seltsam bockigen Film nicht gerecht. Aber der Plot ist umrissen. Fehlt noch die Feinarbeit, denn aus der besteht «Die Erbinnen».

Chela und Chiquita leben als routiniertes Paar in Chelas Elternhaus. Ihr Alter ist schwer abzuschätzen, sie gehen wohl beide auf die Sechzig zu. Ihr missglücktes Schuldenmanagement hat Chiquita allerdings ein Gefängnisstrafe eingebracht, die sie in diesen Tagen antreten muss.

Chiquita organisiert und pflegt die Freundschaften, Chela bleibt lieber zu Hause, malt und lässt sich bedienen. Denn ein «Mädchen» haben die beiden immer noch, auch wenn sie längst Möbelstücke, Bilder, Geschirr und demnächst wohl auch den alten Mercedes Diesel verkaufen.

Zuerst aber muss Chiqui ins Gefängnis, und Chela fährt sie hin, etwas unsicher, schliesslich hat sie keinen Führerausweis und sonst fährt meist die Gefährtin.

Nun aber muss sie für ein paar Wochen alleine durchkommen – das heisst, mit dem Hausmädchen und dem bisschen abgezählten Geld in der Küchenschublade. Erst als die alte Nachbarin vor der Tür steht, und sie bittet, sie zu ihrem Spielnachmittag zu fahren, beginnt Chela aus ihrem Schock aufzwachen.

Sie findet nicht nur Gefallen am Taxidienst für andere alte Damen, sondern auch an der energischen Tochter einer von ihnen, bei der sie vom Auto aus miterlebt, wie sie ihren untreuen Freund abserviert.

Ana Brun, Ana Ivanova © lababosacine

Las herederas ist ein Film, der für die meisten von uns in mehrfach fremden Universen spielt. Und zugleich so alltäglich und vertraut wirkt, wie die Geschichte unserer Grosstanten. Die zwei Frauen stammen aus einer Gesellschaft, die auch in Uruguay am verblassen scheint. Wohlhabend aufgewachsen, mit Bediensteten und in grossen Häusern, mit Erbstücken und Erinnerungen. Zugleich behütet und weltfremd, durchsetzungfähig nur innerhalb des eigenen Systems.

Als Chiqui ins Frauengefängnis muss, kommt sie da ganz gut zu Recht, im Gegensatz zu ihrer Gefährtin, der die Angst in die Knochen fährt und sie öffnet für einen Schwall neuer Gefühle, nicht zuletzt diese brennende Sehnsucht nach der schönen jüngeren Frau, die sie zeitgleic mit der eneuen Freiheit als Geld verdienende, gefährlich lebende, unlizenzierte Taxifahrerin kennen lernt.

Marcelo Martinessi gelingt ein Film, bei dem man grundsätzlich auf eine Filmemacherin tippen würde, wüsste man es nicht anders. Das ist unspektakulär, ein wenig verschroben, ein Einblick in eine Welt, die längst nicht mehr existiert und deren Verlust zumindest für Chela eine ungeahnte neue Freiheit bedeutet. Aber auch eine neue Verzweiflung.

Irgendwie ist dieser so gezielt antispektakuläre Film im Wettbewerb der Berlinale nicht gut aufgehoben. Der hätte im Panorama oder im Forum ein offeneres und dankbareres Publikum gefunden. Aber in der Erinnerung wirken Chela und Chiquita und all die anderen Frauen und die so gut wie inexistenten Männer in diesem Film doch erstaunlich lange nach.

Marcello Martinessi © Andrew John Lucas