Cannes 18: LES FILLES DU SOLEIL von Eva Husson (Wettbewerb)

Die Töchter der Sonne mit Kommandant Bahar (Golshifteh Farahani) © Praesens Film

Kriegsfilme können nicht mehr ernsthaft heroisch sein. Dafür wissen wir längst zu viel über die Realität. Aber Eva Husson sieht die Kämpferinnen ihrer kurdischen Fraueneinheit als Heldinnen.

Aus lauter zuvor entführten, vergewaltigten, misshandelten, geflüchteten Frauen besteht die Peshmerga-Gruppe um Kommandant Bahar (Golshifteh Farahani). Sie nennen sich (nach realem Vorbild) die «Töchter der Sonne», sie kämpfen Seite an Seite zusammen mit den kurdischen Männern. Und sie haben einen psychologischen Vorteil: Ihrer Feinde von ISIS sind davon überzeugt, nicht in den Himmel zu kommen, wenn sie von einer Frau getötet werden.

Das alles fusst in der Realität, Eva Husson hat recherchiert und die Geschichten zusammengetragen, und sie ist nicht die erste. Es gibt Dokumentarfilme über die kurdischen Kriegerinnen, es gibt Reportagen.

Emmanuelle Bercot und Golshifteh Farahani © Praesens Film

Und eine solche Reporterin stellt Eva Husson ins Zentrum ihres allen Mustern des klassischen Massenkinos folgenden Filmes. Emmanuelle Bercot spielt diese Mathilde.

Mathilde war als Reporterin und Fotografin in Homs, sie hat vor kurzem ihren Mann und Kollegen verloren und Zuhause wartet ihre kleine Tochter auf sie, der sie nicht mehr in die Augen schauen kann, weil sie ihrem Vater zu sehr gleicht.

Les filles du soleil fängt an mit einer schlechten Hommage (oder der billigen Kopie?) an den Anfang von Coppolas Apocalypse Now. Wir sehen das staubbedeckte Gesicht von Golshifteh Farahani, am Boden liegend. Zur jetzt schon pathetisch aufdrehenden Musik des Amerikaners Morgan Kibby sehen wir die Staubensäulen eines Bombeneinschlags hoch in den Himmel steigen, analog zum zum explodierenden Dschungel bei Coppola.

Und dann sind wir im Hotelzimmer, nicht bei Martin Sheen in Saigon, sondern bei Emmanuelle Bercot (mit Piratenaugenklappe), die im Gedankenvoiceover darüber sinniert, dass sie längst in der Kampfzone sein sollte.

Und da ist sie dann auch bald darauf, trifft alte Kumpels, die gerade mit dem letzten Helikopter (mit dem sie gekommen ist) evakuiert werden. Und sie lernt Bahar kennen, die einstige Anwältin, deren Mann ermordet und deren Sohn entführt wurde, während sie und ihre Schwester vergewaltigt und versklavt wurden.

Das alles klingt leider mehr nach Rambo und Band of Brothers, trotz des durchaus realistischen Hintergrunds. Daran schuld sind ausgerechnet die Versuche Hussons, mit Rückblenden und Einschüben ihre Frauenfiguren zu vertiefen.

Denn in Kombination mit auf Spannung getrimmten Kampfszenen, hin und wieder schlicht lächerlich pathetischen Momenten und der fast durchgehend treibenden Bombastmusik gehen die subtileren Züge dieses Filmes unter.

Etwa das umfassende und sehr effektive Sounddesign, das Momente der Spannung und der Anspannung erzeugt. Oder die hin und wieder betonte Menschlichkeit der Kämpferinnen, die zwar entschlossen sind, zu töten, aber nicht blind und rachsüchtig, sondern gezielt und entschlossen.

Wenn ihnen die Regisseurin dann allerdings auch noch eine von ihr selber geschriebene Kampfhymne in den Mund legt, statt sie einfach eines der vielen bestehenden Lieder singen zu lassen, dann zeigt sich, wie wenig Eva Husson der reinen Geschichte ihrer Figuren – oder ihrem potentiellen Publikum – traut.

Am Ende hat Kommandant Bahar ein paar Kameradinnen verloren, aber ihr Ziel erreicht. Und die Reporterin verabschiedet sich mit verletztem Bein und dem Hinweis, dass sie es wohl werde hinnehmen müsse, dass sie in ihrer langen Reportage über die Sonnentöchter als Heldin erscheinen werde. Worauf Bahar erwidert: Wir sind alle Heldinnen.

Das ist das zentrale Problem dieses Films: So wie Eva Husson schon gar nicht erst versucht, die vielen verschiedenen Interessen- und Kampfgruppen allein auf kurdischer Seite auseinander zu halten und ein leicht zu fassendes Gut-Böse-Schema durchzieht, versucht sie auch nie wirklich, den alten, pathetischen, männlich-kriegerisch kontaminierten Heldenbegriff neu zu definieren. Sie überträgt ihn auf diese Frauen als Kollektiv, und repräsentiert dieses wiederum über eine charismatische Führungsfigur.

Eva Husson wollte offensichtlich etwas anderes. Aber in ihrem Bemühen, wirkungsvolles Massenkino zu machen, ist ihr Les filles du soleil zum Bastard geraten, zu einem pathetisch ehrenvollen Kriegsfilm, der die alten Muster benutzt und nichts wirklich neues schafft damit.

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