Er darf eigentlich nicht, aber er hört nicht auf, Filme zu machen. Der Iraner Jafar Panahi umgeht ein ums andere Mal alle Hindernisse, er dreht mit minimalen Mitteln, und landet jedes Mal an einem grossen Festival. Irgendwann muss das den zuständigen Stellen in seinem Land doch auffallen?
Aber vielleicht ist es in dem Land ja so, wie die junge Marzieh (Marzieh Rezaei) ihr Dorf schildert: Man kann sich auf nichts verlassen, es gibt keine allgemeingültigen Regeln, ausser jener, mit der sich die Autofahrer auf der engen Bergstrasse via Hupsignal über den allfälligen Vortritt verständigen. Und selbst die ändern dauernd.
Und noch viel schlimmer: Als Marzieh schliesslich mit Pickel und Schaufel loszog, um die Strasse zu verbreitern, hat ihr die Dorfgemeinschaft das verboten. Das sei keine Arbeit für ein Mädchen.
Angefangen hat der Film allerdings mit einem Mobilvideo von Marzieh. Sie ist zu sehen, wie sie der Schauspielerin Benahz Jafari (auch sie spielt sich selbst) in einem langen Monolog ihre Not schildert, dass sie ans Konservatorium wollte, um Schauspielerin zu werden, dass man sie aber dazu angehalten haben, zuerst zu heiraten, im Vertrauen darauf, dass sie die Aufnahmeprüfung eh nicht schaffen würde … und dass sie nun in der Falle sei in ihrem Dorf und dass Jafari, ihre letzte Hoffnung, auf keine ihrer Messages geantwortet habe. Dann springt sie in das Seil, das sie sich in der Höhle um den Hals gelegt hat.
Schon in der nächsten Einstellung sehen wir Benaz Jafari auf einem Beifahrersitz, sie klagt Jafar Panahi, der fährt (macht er eigentlich immer in seinen jüngeren Filmen), das könne doch nicht sein, und sie wolle dieses Dorf finden und herausfinden, ob es da wirklich einen Suizid gegeben habe.
Panahi filmt offensichtlich mit einer einzigen Kamera, vielleicht sogar einem Telefon, in einfachen Einstellungen, ohne Schnitt- und Gegenschnitt, bzw. mal nur mit dem einen, dann mit dem anderen. Der Ton ist allerdings professionell, die Bilder klar und scharf.
Aber die Reise von Jafari und Panahi in dieses Dorf zeitigt viele seltsame und witzige Situationen und lässt Geschichten sprudeln, von Superbullen, eingesalzenen Vorhäuten, einer vorrevolutionären Schauspielerin und immer wieder von der ehrgeizigen entschlossenen Marzieh, die von allen im Dorf für holhköpfig und überheblich gehalten wird.
Jafar Panahis jüngster Minimalfilm erinnert in vielem an unseren Schweizer Kamikaze-Filmer Clemens Klopfenstein und seine umbrischen Wandergeschichten. Die Personalreduktion und der Film als Geschichtenvehikel, der Schalk und die satirischen Momente passen dazu.
Andererseits hat auch dieser Panahi-Film wieder Unmengen von Doppelbödigkeiten, die man gesellschaftspolitisch interpretieren kann und will und vielleicht auch darf.
3 Faces ist einmal mehr gekonnt minimalistisch, etwas weniger kompakt als seine letzten Filme und damit auch wieder näher beim Werk des frühen Kiarostami und anderer Wegbereiter des zensurunterlaufenden Einfalls-Kino.