Cannes 18: BURNING (Beoning) von Lee Chang-dong (Wettbewerb)

Jong-seo Jeon (Hae-mi) in ‚Beoning‘ © CGV Arthouse

Auch Kurzgeschichten brauchen ihre Zeit. Jedenfalls hat der Südkoreaner Lee Chang-dong aus Haruki Murakamis Short-Story «Barn Burning» einen 148minütigen Mystery-Thriller gemacht, der fesselt und verwirrt.

Lee Jong-soo (Ah-in Yoo) schlägt sich in Seoul durch. Eigentlich möchte er einen Roman schreiben, aber er hat keinen Stoff und keine Idee. Da spricht ihn vor einem Warenhaus eine der jungen Frauen an, die lächelnd und tanzend Lotterie-Tickets verteilen, um Kunden anzulocken.

Jong-seo Jeon (Hae-mi) in ‚Beoning‘ © CGV Arthouse

Hae-mi flirtet sehr direkt und gibt sich schliesslich als Lees Nachbarin aus dem Dorf zu erkennen. Sie habe eine Schönheitsoperation gehabt. Die beiden gehen etwas trinken, sind sich sympathisch und sie erzählt von ihrer bevorstehenden Afrikareise und bittet ihn, in der Zwischenzeit ihre Katze zu füttern.

In ihrem winzigen Appartement erinnert sie ihn daran, dass er seinerzeit als Schüler zu ihr gesagt habe, sie sei hässlich. Dann haben sie Sex.

Die nächsten Wochen füttert er regelmässig ihre Katze, die er nie zu sehen bekommt. Das Tier sei extrem autistisch, behauptet Hae-mi.

Ah-in Yoo als Lee Jong-Soo in ‚Beoning‘ © CGV Arthouse

Als Lee Hae-mi nach ihrem Afrika Trip vm Flughafen abholt, stellt sie ihm Ben vor (Steven Yeun, Glenn aus The Walking Dead). Der ewig lächelnde junge Mann stellt sich als offensichtlich reich und gebildet heraus und interessiert sich für Lees Autorenambitionen eben so sehr wie für seine Lieblingsbücher. Und Hae-mi interessiert sich für Lees Geschmack viel zu sehr für Ben.

Nach diversen Treffen und Parties mit Bens Freunden in der Stadt treffen sich die drei auf dem Hof von Lees Vater, der im Gefängnis auf seinen Prozess wartet, weil er im Jähzorn einen Nachbarn mit dem Messer angegriffen hat.

Steven Yeun als Ben in ‚Beoning‘ © CGV Arthouse

Ben pack einen Joint aus und alle drei Kiffen zu den Klängen von Miles Davis‘ Trompete aus Bens Porsche. Während Hae-mi schläft, erzählt Ben Lee von seinem Hobby: Er verbrenne heimlich alte Gewächshäuser. Etwa alle zwei Monate brenne er irgendwo eines nieder. Und er werde nie erwischt werden, weil sich Koreas Polizei nicht für solche Banalitäten interessiere.

Ein paar Tage später ist Hae-mi verschwunden. Und bei Lee wächst langsam der Verdacht, dass Ben möglicherweise die Gewächshäuser nur als Bild gebraucht hat.

Es geht um Kunst und Vorstellungen in diesem Thriller von Lee Chang-dong. Bei einem der ersten Treffen zeigt Haemi Lee, wie sie pantomimisch eine Mandarine isst. Und in ihrer winzigen Wohung beschleicht ihn dann der Verdacht, die Katze, die er füttern soll, sei möglicherweise auch imaginär. Bis er zum ersten Mal die Katzenkiste leeren muss.

Ben unterhält sich mit Lee über William Faulkner und darüber, dass man eigentlich überall gleichzeitig sei, dass es darum auch so etwas wie Verantwortung nicht geben könne.

Und als Lee Hae-mi in seiner Eifersucht vorwirft, sie benehme sich wie eine Hure, spricht sie nicht mehr mit ihm und bleibt fortan verschwunden.

In den Diskussionen um Murakamis Kurzgeschichte wird von Leserinnen und Lesern hin und wieder vermutet, das Spiel zwischen Lee und Ben sein ein philosophisches Seilziehen.

Der Film lässt alle Interpretationen zu, auch jene, dass sich alles nur in Lees Imagination abspielt. Schliesslich ist er derjenige, der einen Roman zu schreiben versucht.

Burning ist ein radikaler Titel und der Film zieht die Radikalität auch durch. Daneben aber ist er voll von fein geschriebenen und gespielten Momentaufnahmen, scheuer Zärtlichkeit und ein paar wahrhaft herzergreifenden Momenten.

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