Cannes 18: DOGMAN von Matteo Garrone (Wettbewerb)

Marcello, der ‚Dogman‘ (Marcello Fonte) © Archimede

Die ersten Einstellungen dieses Film sind hinreissend. Und sie spiegeln eine invertierte Sequenz gegen Ende der Geschichte, welche wiederum die eigentlich «raison d’être» für das Drehbuch ist. Sagt Regisseur Garrone.

Da versucht ein kleiner, etwas gebückter Mann eine zähnefletschende Kampfdogge mit einem Schrubber zu waschen. Der Hund ist angebunden in einer Blechwanne. Aber es besteht kein Zweifel, dass dieser Marcello (Marcello Fonte) innert Sekunden zerrissen würde, wäre der Hund frei.

Und dann kommt die nächste Einstellung, Marcello holt den Fön vom Haken und die gleiche Bestie dreht sich nun wohlig und geniesserisch im warmen Luftstrom. Marcello, der titelgebende Dogman, betreibt einen kleinen Hundewaschsalon – und er versteht nicht nur sein Handwerk, sondern auch den Umgang mit den Tieren.

© Archimede

Matteo Garrone entwirft eine kleine Welt der Italianità in einem heruntergekommenen Seebad. In der zerbröselnden Strandüberbauung hat nicht nur Marcello seinen kleinen Laden, sondern auch ein Altgoldhändler, der Betreiber des Spielsalons, eine Cantina und etliche andere.

Es ist eine eingespielte Nachbarschaft, die Männer (es sind fast ausschliesslich Männer) haben wahrscheinlich schon als Kinder im schäbigen Spielplatzrondell zusammen gespielt. Und sich geprügelt.

Denn da ist einer, Simoncino genannt (Edoardo Pesce), der noch immer alle terrorisiert. Ein Bulle von einem Kerl, koksend und aufbrausend, ein Schläger und unkontrollierbarer Fiesling mit Spatzenhirn. Die Männer diskutieren einmal, ob sie ihn von gedungenen Killern erledigen lassen sollen. Aber der Goldhändler hat Skrupel und ist dagegen.

Simoncino (Edoardo Pesce) und Marcello, der ‚Dogman‘ (Marcello Fonte) © Archimede

Es ist natürlich vor allem Dogman Marcello, der permanent Simoncinos Underdog spielen muss. Als Fluchtwagenfahrer bei einem Einbruch, als Zwischenhändler für Koks. Und doch lässt die Loyalität den kleinen Mann sogar dann noch zum Schläger halten, als dieser bei zwei Drogenhändlern für einmal fast unterliegt.

Bis Simoncino durch Marcellos Laden in jenen des Goldhändlers einbricht und Marcello hängen lässt. Marcello schweigt eisern, geht ins Gefängnis, in der Hoffnung, wenigstens danach seinen Anteil zu bekommen.

Matteo Garrone reduziert das System der Unterdrückung und des Unterdrückten auf eine lokale Nachbarschaft. Und der liebenswerte Marcello wächst einem auch einigermassen ans Herz. Andererseits wird es immer schwieriger, einen Film zu goutieren, der ohne Frauenfiguren auszukommen meint.

In Dogman gibt es gerade mal die drei Standardfrauen Italiens: Marcellos Ex, seine heiß geliebte kleine Tochter, und die Mutter von Simoncino. Und ein paar Stripperinnen in einem Nachtclub, die aber kein Sprechrollen bekommen.

Marcello mit Tochter Alida (Alida Baldari Calabria) © Archimede

Vielleicht hat das seine Richtigkeit in diesem Sandkastenspiel. Aber es passt zur restlichen Anlage des Films. Es gelingt Garrone trotz vielversprechender Ansätze nicht, diesem Mikrokosmos etwas allgemeingltiges abzuringen, das über die Banalität der Gewalt des Stärkeren hinaus gehen würde.

Es gibt ein paar Ansätze, in der die Solidarisierung auf verschiedenen Ebenen ins Spiel kommt. Aber die verlaufen im Sand und im Regen, wie am Ende der ganze Film.

Das Bild, das Matteo Garrone als Ursprung für sein Drehbuch bezeichnet, ein paar Hunde in ihren Käfigen, die betreten die menschliche Bestialität auf der anderen Seite des Gitters beobachten, das kommt natürlich auch vor. Aber an die ersten Einstellungen von Dogman reicht es nie heran.

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