Locarno 18: YARA von Abbas Fahdel (Wettbewerb)

Michelle Wehbe © Stalker Production

Junge Liebe in einem entvölkerten Bergtal im Libanon. Die Idee ist ungewöhnlich. Statt Niedergang zu beklagen, zeigt dieser Film den Alltag einer jungen Frau und ihrer Grossmutter, mit den Tieren um ihr Haus herum und dann diesem jungen Mann, der plötzlich auftaucht.

Yara ist ein Spielfilm, das Werk eines einzigen Mannes. Abbas Fahdel zeichnet für Regie, Produktion, Kamera, Montage, Ton und Drehbuch.

Michelle Wehbe, Charbel Alkady © Stalker Production

Fahdel, geboren 1959 im Irak, hat in Frankreich gelernt, bei Eric Rohmer, Jean Rouch und dem Filmkritiker Serge Daney. Wer möchte, kann Spuren von Rohmer und Rouch finden in Yara.

Aber alles in allem ist das fast (oder täuschend) naives Kino. Die junge Hauptdarstellerin ist ein hübsches Mädchen, sie hätte in einen Rohmer-Film gepasst. Aber man glaubt keine Sekunde, dass sie die T-Shirts, die sie zum Trocknen aufhängt, auch selber gewaschen hat. Ihre nackten Füsse in den blitzblanken weissen Turnschuhen sind die staubigen Berghänge nicht gewohnt. Und die Flinte, die über ihrem Bett hängt, hat sie – anders als Sibel im gleichnamigen Konkurrenzfilm im Wettbewerb – mit Garantie nie abgefeuert.

Michelle Wehbe, Elias Freifer © Stalker Production

Da Fahdel alles selber drehte, in diesem Kadisha-Tal, das offenbar Unesco-Weltkulturerbe ist, nur zu Fuss und mit Maultieren erreichbar, behilft er sich bei jeder zweiten Einstellung mit einem Schwenk nach oben oder auf die andere Talseite, oder mit einem zur Seite, auf die Katzen, Hühner, Hund und Esel.

Das gibt ihm die Möglichkeit, alles auf alles zu schneiden. Aber diese offenen Schwenks laden auch alles Mögliche mit Bedeutung auf, die dann nie zum Tragen kommt. Ein letzter Blick auf einen Schlüsselbund, der draussen an der Tür stecken geblieben ist? Folgenlos.

Mary Alkady © Stalker Production

Die Grossmutter scheucht wenigstens ab und zu die Hühner den Hang hinauf. Yara tut, ausser Haare bürsten und Wäsche trocknen, erstaunlich wenig. Aber sie verliebt sich in Elias, der immer wieder den Hang herauf zu Besuch kommt, mit ihr die leeren Häuser erkundet, das zerfallende Schulzimmer, die geschlossene Kirche.

Und einen Wasserfall, in dessen kleinen See er mit nacktem Oberkörper eintaucht, während Yara noch sehnsüchtig am Ufer steht, die Kamera weg schwenkt und uns die beiden etwas später in völlig trockenen Kleidern wo anders wieder präsentiert.

Michelle Wehbe, Elias Freifer © Stalker Production

Der Film hat Charme. Die Idee, die Liebenden als positives Zentrum der Erkundung einer langsam aussterbenden Gegend zu zeigen, ist bestechend. Zumal auch der Schmerz Einzug hält, als Elias erklärt, er müsse zu seinem Vater nach Australien. Und das Ende der Unschuld, als der Nachbar Yara plötzlich erklärt, es gehe nicht an, dass sie sich so freizügig zeige, als einmal nur mit einem Badetuch bekleidet aus dem Haus tritt.

Aber das Handwerk, die Dramaturgie, die Hauptdarstellerin… das alles erreicht nicht das Niveau, das es haben müsste, um nicht immer wieder ungewollt zu irritieren.

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