NIFFF 19: SWALLOW von Carlo Mirabella-Davis

Haley Bennett in ‚Swallow‘ von Carlo Mirabella-Davis © Charades

Im Zentrum von Swallow steht Hunter, eine junge Frau, die Dinge schluckt, die sie nicht schlucken sollte. Nein, keine Pillen, keine Drogen. Zuerst, als Neuverheiratete im goldenen Käfig einer einsamen Villa, meist ihren Ärger, ihre Enttäuschungen, ihre Angst und ihre Unsicherheit.

Etwas später, als pflichtschuldigst Schwangere, entwickelt sie allerdings nicht die üblichen Gelüste auf saure Gurken oder kiloweise Eiscrème. Hunter schluckt erst einmal einen Eiswürfel. Dann heimlich und zögernd eine Murmel. Dann eine Reisszwecke. Eine Plastikballerina.

Die erfolgreich wieder ausgeschiedenen Gegenstände sammeln sich auf ihrem Schminktisch zu einer grotesken kleinen Kollektion. Unbemerkt von ihrem Mann.

Carlo Mirabella-Davis traut allerdings seinem Publikum nicht so ganz. Als ob der zentrale Einfall seines Drehbuchs nicht stark genug wäre, inszeniert er die wunderbare Haley Bennet als 50er Jahre Eheweibchen und «Homemaker», ihren Mann als verwöhnten Klotz und dessen Unternehmer-Eltern als Karikaturen.

Haley merkt bald, dass sie zur Ausstattung der von der Eltern geschenkten Villa gehört, zumal sie vom Söhnchen als Kosmetika-Verkäuferin sozusagen aus der Gosse gerettet wurde. Die Gesellschaftsmechanismen schnappen allerdings erst zu, als Ehemann und Schwiegereltern Hunters ungeborenes Kind gefährdet wähnen.

Nun kommen Psychiaterin und Aufpasser ins Spiel.

Diese groben Striche passen zwar ganz gut zur schönen Retro-Ausstattung eines Films, der in der Gegenwart spielt, und sie ergänzen die opake Farbpalette von Katelin Arizmendi um ein paar grelle Momente. Aber eigentlich sind alle Schauspielerinnen und Schauspieler zu gut für diese Direktheit.

Insbesondere Haley Bennett schafft alleine mit ihrem Blick ganze Schreckens- und Trauerräume.

Haley Bennett in ‚Swallow‘ von Carlo Mirabella-Davis © Charades

Seinen subtilsten und stärksten Moment hat Swallow in seiner allerletzten Einstellung. Hunter hat ihren Horror und ihre Abhängigkeiten hinter sich. Sie kommt aus der Kabine in einer Damentoilette, wirft sich im Spiegel einen entschlossenen Blick zu und geht erhobenen Hauptes hinaus.

Wir bleiben sitzen im Kino und sehen all die anderen Frauen, die sich da die Hände waschen, die Haare justieren – und wir wissen: Jede von ihnen hat eine Geschichte, wie Hunter.

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