Locarno 19: DAS FREIWILLIGE JAHR von Ulrich Köhler und Henner Winckler (Wettbewerb)

Maj-Britt Klenke © Sutor Kolonko

Das Drehbuch haben sie gemeinsam online geschrieben, die beiden Regisseure. Sie haben die Regie geteilt, ihre Erinnerungen an die Jugend auf dem Land und etliches mehr. Dabei ist eine komplexe Geschichte entstanden, die sich im Kreis dreht.

Die «stationären Roadmovies» sind schon fast ein eigenes Genre geworden. Jene Geschichten von Protagonisten, die ihren Aufbruch torpedieren, die mit dem Weggehen hadern, die unterwegs sind, aber an Ort treten.

Jette: Maj-Britt Klenke © Sutor Kolonko

Jette ist so eine Figur, zumindest wirkt sie so. Sie lebt mit ihrem Vater Urs, einem Landarzt, der lieber in der Stadt wäre. Der Film setzt ein, als er sie zur Eile mahnt. Er will sie zum Flughafen fahren, zu ihrem freiwilligen Auslandsjahr in Costa Rica.

Sie kann sich kaum vom kleinen Esel im Garten verabschieden. Er will unbedingt noch bei seinem Bruder vorbeifahren, der Jettes Kamera hat. Sie ist dagegen, findet das peinlich. Der Bruder öffnet die Tür nicht, Urs bricht sie auf. Jette sollte zum Flughafen, schliesslich fährt Mario mit ihr, ihr Freund, der mit ihr Schluss gemacht hat, weil sei weggeht.

Urs (Sebastian Rudolph) © Sutor Kolonko

Drama? Ja, ein bisschen. Jette weiss nicht so genau, was sie will. Mario will keine Veränderung. Urs will Veränderung, wenn schon nicht für sich, dann eben für Jette.

Das Drehbuch ist hochartifiziell, das Männerbild der beiden Regisseure eindeutig angeschlagen. Hält man Anfangs Jette noch für einen verantwortungsloses, verzogenes Gör, stellt sich irgendwann heraus, dass es ihr Vater ist, zu viel für andere entscheidet und zu wenig für sich selber.

Nicole (Katrin Röver) und Urs (Sebastian Rudolph) © Sutor Kolonko

«Oben ist nicht unten» stellt Jette fest, als Mario am Flughafen die Einfahrt zum Abflugsterminal verpasst und Richtung Ankunft fährt. Dabei vergisst er die Gepäckbox auf dem VW-Bus und rammt prompt ein Max-Höhe-Schild vor der Parkhauseinfahrt.

Die Metaphorik ist gut gestreut in diesem Film, die Konstruktionen und Plotwendungen wirken ungezwungen und spontan. Und doch dreht sich der Film ein bisschen an Ort, wie die Protagonisten. Köhler und Winckler illustrieren vor allem die Fliehkräfte, welche der Arzt auslöst.

Mario: Thomas Schubert, © Sutor Kolonko

Die Anlage ist hübsch, die Konstruktion gelungen, die Dialoge sitzen und die Schauspieler kriegen das hin, dass man im Moment bleibt mit ihnen. Aber viel mehr als am Anfang ist da am Ende auch nicht.

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