THE IRISHMAN von Martin Scorsese

‚The Irishman‘: Robert De Niro als Frank Sheeran © Netflix

Dreieinhalb Stunden lang ist der jüngste Film der New Yorker Regie-Ikone Martin Scorsese, produziert hat das 160 Millionen Dollar teure Mafia-Epos kein klassisches Filmstudio, sondern der Streaming-Gigant Netflix. Und der bringt den Film auch ab 27. November weltweit in die Stuben.

Zuvor aber gibt es ab kommendem Donnerstag noch richtige Kinovorführungen – schliesslich profitiert auch Netflix von Scorceses Ruf als Meister der grossen Leinwand.

Russell Bufalino (Joe Pesci) und Frank Sheeran (Robert De Niro) © Netlfix

The Irishman vereinigt noch einmal Scorseses altgediente Lieblingsdarsteller, Robert De Niro, Joe Pesci und Harvey Keitel, und ergänzt sie mit dem dritten grossen Italo-New-Yorker, Al Pacino.

Um Ecken und durch Gänge schlängelt sich die Kamera, ohne Schnitt, in ein Altersheimzimmer, eine sogenannte Plansequenz, wie jene, mit der Scorsese 1990 seinen Mafia-Klassiker Goodfellas eröffnet hat.

‚The Irishman‘: Robert De Niro und Joe Joe Pesci © Netflix

Bloss landet die Kamera dieses Mal vor einem Rollstuhl, und in dem sitzt Robert De Niro, von der Maskenbildnerin noch etwas über seine 76 Jahre hinaus auf alt und wackelig geschminkt. Er spielt den titelgebenden Irishman, Frank Sheeran, der sich über die nächsten dreieinhalb Stunden an seine Karriere als Weltkriegssoldat, Mafia-Tough-Guy und Auftragskiller erinnern wird.

Seine zweifelhafte Karriere verdankt Frank seiner schnellen Auffassungsgabe. So hat er zum Beispiel früh verstanden, dass ein sogenannter House-Painter die Innenwände einer fremden Wohnung nicht mit dezenter Farbe auffrischt, sondern mit jenem verspritzten Blutrot, das bei einem schnellen Mord eben anfällt.

Jimmy Hoffa (Al Pacino) und Frank Sheeran (Robert De Niro) © Netlfix

Und damit beginnt die Rückblende in die Nachkriegszeit der fünfziger Jahre. Der Kriegsheimkehrer Frank verdient als Lastwagenfahrer etwas dazu, indem er einen Teil seiner Ladung unter der Hand verscherbelt. Dabei kommt er in Kontakt mit der Mafia und erweist sich bald als zuverlässiger Mann fürs ganz Grobe.

Insbesondere der von Joe Pesci gespielte «Pate» Russell Bufalino wird zum Freund und Förderer des ebenso skrupellosen wie loyalen Frank und vermittelt ihn schliesslich als heimlichen Bodyguard an den allmächtigen Boss der Fernfahrer-Gewerkschaft.

Frank Sheeran (Robert De Niro) macht den Weg frei für Jimmy Hoffa (Al Pacino). © Netlfix

Dieser Jimmy Hoffa (Al Pacino), der grosse Gegner des Kennedy Clans, der Nixon unterstützte und von Präsident John F. Kennedys Bruder Robert als oberstem Staatsanwalt vorübergehend aus dem Verkehr gezogen wurde, steht für die unlösbare Verknotung von Gewerkschaftsmacht, Politik und organisiertem Verbrechen in den USA.

Nun waren Martin Scorseses Gangsterfilme schon immer Lektionen in moderner US-Geschichte. Aber noch keiner von ihnen, nicht einmal die Las-Vegas-Analyse «Casino», war dermassen Klartext. Scorsese geht mit The Irishman so weit, das nie aufgeklärte Verschwinden von Jimmy Hoffa im Juli 1975 zu erklären. Mit, logisch, House-Painting.

Al Pacino als Jimmy Hoffa vor Gericht © Netflix

Das ergibt durchaus spannende dreieinhalb Stunden, die allerdings vor allem vom Wiedersehen mit bekannten Darstellern und Figuren leben.

The Irishman ist eine Art «Best-of-Scorsese» und ein Film mit etlichen Gimmicks. Dazu gehört auch die immens teure digitale Verjüngung der Scorsese-Stars, die etwa beim Gesicht von Robert De Niro ganz gut funktioniert, aber den Darstellern in den Rückblenden halt doch nicht zu einer jüngeren Körperhaltung verhilft.

‚The Irishman‘: Die Nachricht von der Ermordung Kennedys erschüttert nicht alle gleich © Netflix

Damit ist The Irishman kein neues, bahnbrechendes Werk von Martin Scorsese, sondern die Verknüpfung seines Gesamtwerkes mit jenem filmhistorischen Korpus, zu dem auch Francis Ford Coppolas Godfather-Trilogie gehört: Jene ganze Jahrzehnte überspannenden Kino-Epen, über die sich die USA tatsächlich zu einem guten Teil definieren.

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