Ein Film von (vor allem) Frauen, über zwei junge Frauen, der nun tatsächlich eine klar andere Perspektive hat, ohne das je betonen zu müssen.
Autumn (Sidney Flanigan) und ihre Cousine Skylar (Talia Ryder) fahren mit dem Überlandbus nach New York, weil Autumn nur dort eine Abtreibung bekommen kann. Die beiden achtzehnjährigen Frauen sind gemeinsam unterwegs, ohne wenn und aber.
Skylar ist die stille, treibende Hilfe für ihre Cousine. Sie ist es, die beim gemeinsamen Kassenjob im Supermarkt Geld abzweigt vom übergriffigen Filialleiter, gerade genügend, um den Eintagestrip von Pennsylvania nach New York zu finanzieren.
Eliza Hittman, die auch das Drehbuch geschrieben hat, zeichnet das Milieu, aus dem die beiden jungen Frauen kommen, mit einer schneidenden Präzision. Autumns liebevolle Mutter, die dann doch eher zum (Stief-?) Vater ihrer Tochter hält, die Schulkollegen der jungen Frauen, von denen vor allem einer Autumn klar zu verstehen gibt, dass er sie für eine Schlampe hält, und vor allem die verzweifelte Zurückgezogenheit Autumns, welche sie unerreichbar macht für fast alle, ausser ihrer Cousine.
Die weitgehend wortlose Übereinkunft der beiden gehört zu den ganz starken Elementen dieses Films, den Kamerafrau Hélène Louvart in gleichzeitig leuchtende und doch angegraute Bilder giesst.
Die Reise nach New York entpuppt sich als komplizierter und langwieriger als geplant. Denn in der Klinik, in welcher die Beratungsstelle zuhause Autumn angemeldet hat, stellt sich heraus, dass ihre Schwangerschaft fortgeschrittener ist, als gemeldet – womit eine andere Institution zuständig wird und ein mindestens zwei weitere Nächte dauernder Aufenthalt in der Stadt.
Dabei haben Autumn und Skylar schon das bisschen Geld aufgebraucht. Wie sie sich die erste Nacht um die Ohren schlagen und dann, nach dem erfolgten Eingriff noch eine zweite, das hat einerseits die klassischen Qualitäten anderer Grossstadt-Odysseen. Aber eben auch noch diese so noch kaum je gesehene Mischung aus Scham, Trotz, Verzweiflung und leiser Angst.
Der Titel des Films bezieht sich auf den Fragebogen, den Autumn in der Abtreibungsklinik beantworten soll. Nie, selten, manchmal, immer sind die möglichen Antworten auf Fragen wie: «Haben Sie schon sexuelle Gewalt erlebt?», «Sind sie zu Handlungen gedrängt oder gezwungen worden gegen ihren Willen?» unter denen Autumn langsam in Tränen ausbricht. Die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, welche die ausgesprochen liebevolle und engagierte Beraterin bei Autumn auslöst, lässt ihre trotzige Schutzwand einstürzen.
Never Rarely Sometimes Always ist weder als grosse gesellschaftliche Anklage angelegt, noch als Aufklärungsfilm. Elizabeth Hittman zeigt, was dank engagierter privater Organisationen an «pro choice» überhaupt möglich ist. Sie zeigt aber auch, wie sich die Gegenseite artikuliert und eingreift.
Autumns erste Beraterin in Pennsylvania erklärt ihr sachlich ihre Möglichkeiten, wirbt aber auch unverhohlen gegen die Abtreibung und für eine Adoptionsfreigabe. Dass die junge Frau zuhause keine Hilfe erwarten kann, macht der Film ohne viel Aufwand klar.
Und dass Skylar schliesslich in der Verzweiflung auf die Hilfe eines offen flirtenden jungen Mannes setzt, mit einem gewissen Entgegenkommen, das schweisst die Cousinen noch mehr zusammen, nachdem sie sich kurzfristig und fast wortlos zerstritten und getrennt hatten.
Es gibt nicht viele vergleichbare Filme zu Never Rarely Sometimes Always, zuweilen erinnert er an Catherine Hardwickes Pre-Twilight-Film Thirteen (2003), und natürlich entfernt an Diablo Codys von Jason Reitman inszenierten Juno von 2007.
Nur schon der Umstand, dass in dieser ganzen Zeit seither nicht mehr vergleichbare Filme entstanden sind (oder sichtbar geworden sind?), macht klar, wie nötig und frisch und ermutigend dieser Film von Eliza Hittman heute ist.
Und dass die beiden jungen Hauptdarstellerinnen in ihrem Debut dermassen überzeugend und hinreissend sind, dürfte sie beide in den nächsten Jahren in eine neue Liga katapultieren. Hoffentlich machen sie beide noch ein paar Filme von diesem Kaliber, bevor sie von Disney ins Marvel-Universum gesaugt werden.