Hinschauen, nicht weg. Es ist diese einfachste aller Forderungen, welche Güzin Kars starker, sieben Minuten langer Film erfüllt. So sehr, dass die Bilder im Kopf bleiben, wenn die Leinwand schon wieder schwarz geworden ist.
Es sind ganz einfache, aber gestochen klare Einstellungen an und um eine Strasse in einem Aussenquartier von Bonn. Bilder, die sich bestenfalls von jenen verorten lassen, welche schon mal da waren.
Für alle anderen, für uns, ist das irgendeine Strasse zwischen Bahn und Industriequartier, in Deutschland.
Aber: Es ist deine Strasse, erklärt die Stimme von Sibylle Berg. Die Strasse trägt den Namen eines Kindes, das für immer vier Jahre alt bleiben wird.
Die Sätze sind so einfach wie die Bilder. Keine Vermutungen, nur Feststellungen, Aufzählungen, Rekapitulation.
Oder nein. Eben nicht. Keine Kapitulation.
Keine vierzehn Tage nachdem im deutschen Sprachraum der Jahrestag der rassistischen Morde von Hanau mit viel Aufwand und Gegenaufwand noch einmal öffentlich wurde, erinnert Güzin Kar daran, dass das alles schon lange vor sich geht.
Weiss ich denn noch, was da in Solingen vor achtundzwanzig Jahren passiert ist?
Der Abspann des kurzen Films erinnert daran:
Saime Genç (4) war das jüngste Opfer des rassistischen Brandanschlags von Solingen, Deutschland, am 29. Mai 1993, bei dem fünf Menschen türkischer Herkunft von deutschen Neonazis ermordet und 14 weitere teilweise lebensgefährlich verletzt wurden. Die nach ihr benannte Strasse, der Saime-Genç-Ring, befindet sich in Bonn.
Was berührt, erschreckt, traurig macht, wütend, das hat die Stimme von Sibylle Berg uns da schon ganz ruhig durchs Ohr unter die Haut geschoben.
Das letzte Wort, vor dem Abspann, ist der Name, der davor noch nie gefallen war: Saime.
Das Strassenschild mit ihrem Namen: Es ist nicht zu sehen.
Deine Strasse ist ein kurzer Film. Mit langer Wirkung. Der geht nicht mehr weg.