Emmanuèle Bernheim hat jahrelang mit François Ozon an seinen Drehbüchern gearbeitet. Nach ihrem Tod mit nur einundsechzig im Jahr 2017 hat sich Ozon an ihr Buch über das Sterben ihres Vaters gewagt, das sie ihm offenbar schon viel früher zur Verfilmung angeboten hatte.
Sophie Marceau spielt nun Emmanuèle, die Tochter, deren Vater nach einem Schlaganfall von ihr fordert, sie solle ihm dabei helfen, ein Ende zu machen.
Filme über den Wunsch nach würdevollem Sterben, über assistierten Suizid, über die «Reise in die Schweiz» hat es etliche gegeben in den letzten Jahren, gerade auch in Frankreich. Einer der eindrücklichsten war Quelques heures de printemps von Stéphane Brizé, mit Vincent Lyndon.
War es dort der Sohn, der widerwillig den Wunsch seiner Mutter erfüllte, bleibt Ozon nun bei der Tochter Emmanuèle und deren Schwester, gespielt von Géraldine Pailhas.
Sophie Marceau, der einstige Teenie-Star von La boum, ist ausgesprochen stark in dieser Rolle. Und sie muss es auch sein, denn André Dussollier, kaum zu erkennen mit einem vom Schlaganfall seiner Figur halb gelähmten Gesicht, spielt den André Bernheim als den störrischen, eigensinnigen, rücksichtslosen Vater, den die Schwestern in Erinnerung haben. Den Vater, dem die Tochter offenbar mehrfach den Tod gewünscht hatte, und den sie trotzdem liebt, mit dem trotzigen Satz: Meinem Vater kann man nichts verweigern.
Ozon filmt das alles ganz klassisch, einfallsreich im Detail, mit Zug auch in den simpelsten Einstellungen. Wenn Emmanuèle eben wütend das Spital verlassen hat, weil der Vater mit seinem Sterbewunsch nicht bloss an sie alleine herangetreten ist, sondern damit auch wieder einmal seine Töchter gegeneinander ausspielt, trinkt sie zur Beruhigung etwas in einer Bar.
Die Einstellung dauert wohl keine Minute, es passiert nichts, ausser dass Sophie Marceau vor einem Glas Whisky sitzt. Aber links von ihr zapft der Bartender Bier, rechts von ihr spielen ein paar Lensflare-Lichter in die Kamera. Das Bild sitzt und bleibt.
Ein Sandwich, von dem der Vater im Spital trotzig einen herzhaften Bissen genommen hat, wickelt Emmanuèle wieder ein und nimmt es nach Hause. Sie legt es in den Kühlschrank, zögert, will es wegwerfen, und packt es dann in eine Plastikbox, um es in den Tiefkühler zu legen.
Viel später im Film, wenn klar ist, dass der Vater seine Pläne nicht mehr ändern wird, wird sie es beiläufig aus dem Tiefkühler nehmen und doch noch wegwerfen.
Der Film bleibt sehr körperlich, das Husten, das Spucken, die Küsse auf die Stirne, die Berührungen der Schwestern untereinander sorgen dafür, dass man auch im Kino physisch dabei bleibt.
Und schliesslich zieht dann noch das Tempo an, wenn die vermittelnde Dame von der Sterbehilfeorganisation (Hanna Schygulla) in der Schweiz auftaucht, wenn der Lover des verheirateten aber offen Schwulen André, den die Schwestern nur als G.M. («Grosse Merde») bezeichnen, auftaucht und wenn, als alles schon organisiert ist, auch noch die Polizei involviert wird.
Die Tragik ist stets präsent, aber all die komischen und grotesken Umstände des verbotenen Sterbewunsches, der nur in der Schweiz und nur mit gewiefter juristischer Beratung überhaupt erfüllt werden kann, ergeben eine spannungsreiche, emotionale Mischung.
Tout s’est bien passé ist der Titel des Buches und des Filmes. Und am Ende auch der entscheidende Satz, der via Telefon aus Bern kommt – in seiner ganzen Ambivalenz so schillernd, konkret und stark wie der Film.