BECKETT von Ferdinando Cito Filomarino

John David Washington als Beckett und Alicia Vikander als April © Netflix

Auf Tenet folgt Beckett. Und schon wieder ist John David Washington gehetzt unterwegs, ohne zu wissen wie ihm geschieht.

Zu Beginn des Films ist das us-amerikanische Liebespaar Beckett und April (Alicia Vikander) in den griechischen Bergen unterwegs. Sie necken sich, sie ziehen sich auf, sie lieben sich.

Regisseur Ferdinando Cito Filomarino mit John David Washington © Netflix

Dann folgt eine jener nächtlichen Autofahrten auf kurviger Bergstrasse, während der mit dem Telefon hantiert wird, gefrotzelt, verliebt geknufft – und die Frage ist ganz klar nicht, ob es einen Unfall geben wird, sondern bloss noch wann. Es dauert.

Irgendwann ist April tot und Beckett schuld. Er ist am Steuer eingenickt.

Aber damit ist erst die Ausgangslage für die Hauptfigur erstellt. Denn nun beginnt ein Genre-Thriller, eine «The Wrong Man» Geschichte, oder wie April einmal mit einem Losey-Filmtitel angetönt hat: Figures in a Landscape.

Das ist zumindest ein programmatischer Titel, denn von nun an ist Beckett auf der Flucht. Gerade als er sich an dem Ort, an dem seine Freundin verblutet ist, mit dem Schlafmittel Ambien umbringen will, schiesst eine blonde Frau mit einer Pistole auf ihn. Später kommt noch der Polizist dazu, der Beckett auf der Station zuvor freundlich vernommen hatte.

Für eine ganze Weile ist das wohltuend mysteriöses Genrekino, Beckett entkommt seinen Verfolgern immer um Haaresbreite, zu Fuss, im Zug, im Kofferraum. Er wird angeschossen, angestochen, angeschnitten und angebrochen. Aber er gibt nicht auf.

Beckett mitten in der Athener Demoszene © Netflix

Dann verdichtet sich allerdings eine Hintergrundgeschichte um die Entführung eines Politikersohnes, um die griechische Opposition und die ultranationalistische Goldene Morgenröte, und wir haben wieder einmal einen ahnungslosen US-Bürger, der im Chaos eines fremden Landes um sein Leben rennt, ohne zu wissen, wie ihm geschieht.

John David Washington als Beckett im Athener Untergrund. Oder so. © Netflix

Es ist ein wenig ironisch, dass das Locarno-Filmfestival auf seiner Piazza Grande ausgerechnet mit einem Netflix-Thriller eröffnet, der schon in wenigen Wochen ab 13. August weltweit zu sehen sein wird. Aber es passt auch. Der Regisseur hat sein Handwerk an der Uni Bologna gelernt, seine ersten Preise in Locarno gewonnen und Produzent seines ersten englischsprachigen (hm… alles in allem wir mehr Griechisch gesprochen als Englisch…) Films ist der neue Supermann des internationalen italienischen Kinos, Luca Guadagnino.

Und Vorbilder hat der Film etliche aus der Genre-Tradition, Loseys Figures in a Landscape wurde schon genannt, andere lassen sich leicht festmachen, bis hin zu den Filmen der zornigen jungen Griechen der letzten fünfzehn Jahre.

Die Netflix-Ironie, wenn man so will, zeigt sich dann halt am Ende wieder, wenn der US-Amerikaner seine persönliche Schuld mit heroischem Einsatz getilgt hat und zum Held der Stunde avanciert. Aber die Abblende kommt zum Glück vorher.

Beckett ist eine spannende Genre-Variation und wer geneigt ist, gewisse Klischees ironisch zu verstehen, holt aus seinem Netflix-Abend durchaus etwas heraus.

Im Regen auf der Piazza Grande ist das etwas schwieriger.

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