AL NAHER von Ghassan Salhab

Yunna Marwan und Ali Suliman © Khamsin Films

In einer bergigen Landschaft im Libanon gehen ein Mann und eine Frau ziellos zwischen Felsen, Bäumen, Zäunen und Apfelbäumen umher. Zuvor haben sie sich in einem Gartenrestaurant angeschwiegen und angeschaut.

Auf der Tonspur schwillt Musik mit Geräusch mitunter bedrohlich an, dann donnern wiederholt Kampflugzeuge über den Himmel. Man hört Bombeneinschläge und Helikopter.

Yunna Marwan und Ali Suliman © Khamsin Films

Der Mann und die Frau halten immer wieder inne, schauen zum Himmel, ducken sich: Die unfassbare, konstante Bedrohung scheint Teil ihres Lebens zu sein.

Und ihre offensichtlich zerbrochene oder angebrochene Beziehung ebenfalls.

Das Eigenwilligste an diesem Film ist seine beharrliche Faszination. Manchmal kommen explizite Szenen, etwa wenn sie einen faulen Apfel an einem Baum betrachtet und er ihr einen guten reicht. Sie sagt, jetzt fehle nur noch die Schlange.

Dann sieht sie, dass er am Finger blutet und meint: Noch eine Verwundung.

Yunna Marwan und Ali Suliman © Khamsin Films

Eine überraschend eindeutige, wenn auch eigenwillige Sexszene gibt es auch, voll bekleidet und unerwartet erotisch. Manchmal filmen sich die beiden gegenseitig mit dem Telefon. Und auf dem Telefon des Mannes findet die Frau auch Aufnahmen, die er von ihr gemacht hat, als sie schlief. Und im Schlaf redete. Das nimmt sie wieder für ihn ein, nachdem sie zuvor schon klar gesagt hat, dass sie getrennt seien.

Yunna Marwan und Ali Suliman © Khamsin Films

Al Naher ist der Fluss, wohl auch die fliessende Bewegung in diesem Minigolfpark der Anziehung und Abstossung. Man kommt diesem Film nicht bei mit Wörtern wie poetisch oder hypnotisch, auch nicht mit Ironie oder Hingabe.

Das einzige, was sicher ist: Die Faszination taucht kaum je ab. Da tummelt sich die fadenscheinige Konsistenz der Beziehungskiste in einer Kulisse, die metaphorischer nicht sein könnte – und nimmt einen doch immer wieder gefangen.

Vielleicht ist der Mann alleine unterwegs, vielleicht sind es seine Vorstellungen von dieser Frau, die mich als Mann im Kino anziehen. Die Schönheit der Darstellerin Yumna Marwan hilft dabei, ebenso helfen die Momente, in denen Ali Suliman an Michael Fassbender erinnert.

Yunna Marwan und Ali Suliman © Khamsin Films

Immerhin das scheint gesichert: Das ist ein Film, der mit den Mitteln des Kinos einen sanften Sog aufrechterhält. Mit Bildern, Tönen, Assoziationen und Erinnerungen.

Beziehungsminigolf mit Kampfflugzeugen. Kein völlig unpassender Einstieg in den internationalen Wettbewerb des 74. Locarno Film Festivals.

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