JUJU STORIES von Abba T. Makama, C.J. ‘Fiery’ Obasi und Michael Omonua

Bukola Oladipupo, Rhoda Albert und Chisom Coco Ofor im Segment ‚Suffer the Witch‘ © Fiery Film / 20 Pounds Prod.

Surreal16 nennt sich das nigerianische Filmkollektiv, das diese drei Kurzfilme zu einem Thema hervorgebracht hat. Die Filmemacher haben den Anspruch, das afrikanische Selbstbild zu verändern. Zumindest suggeriert das der Katalogtext von Locarno.

Nun sind weder Lagos noch Nigeria mit dem afrikanischen Kontinent gleichzusetzen. Man darf aber davon ausgehen, dass es so etwas wie panafrikanische Perspektiven und Vorstellungen gibt, nur schon in Abgrenzung zum kolonialen Erbe.

Abba T. Makama (Segment ‚Yam‘)

Ein Problem für ein westliches, europäisches Festivalpublikum ist aber auch im Falle der Juju Stories das gleiche wie bei vielen Filmen aus weniger bekannten Kulturkreisen: Wir lernen Klischees und Normen oft überhaupt erst bei ihrer Verarbeitung oder Persiflierung kennen.

Das heisst, die Filmemacher und ihr lokales Publikum sind uns voraus.

C.J. ‚Fiery‘ Obasi (Segment ‚Suffer The Witch‘)

Das gilt auch für diese drei Kurzfilme, die sich mit Alltagsmagie, «Volksglauben», eben mit «Juju» befassen.

Allen drei Segmenten gemeinsam ist der Umstand, dass die Protagonisten eigentlich aufgeklärte moderne Zeitgenossen sind, denen diese Effekte das Leben durcheinander bringen.

Am einfachsten zu erklären ist das anhand des ersten Segmentes, Love Potion, Liebestrank. Da braut eine unglücklich verliebte junge Frau auf anraten einer Kollegin aus Menstruationsblut und Leichenwaschwasser einen Tee, der ihr den entsprechenden Mann verfallen lässt. Bloss um bald zu merken, dass sie sich nicht in ihn verliebt hatte, sondern in ihre Vorstellung von ihm.

Seun Kentebe and Paul Utomi im Segment ‚Love Potion‘ © Fiery Film / 20 Pounds Prod.

Sie möchte Bücher schreiben, er spielt Videogames. Sie will kuscheln, er schläft lieber berührungsfrei. Dafür steht er auf Händchenhalten an der Öffentlichkeit, was sie nicht ausstehen kann.

Damit steht der Liebestrank und seine allfällige magische Wirkung für allgemeine menschliche Alltagserfahrungen – ein Konzept unter vielen, um Sehnsucht und fehlgeleitete Träume zu fassen.

Im zweiten Segment, YAM, ist das weniger leicht zu fassen. Da spielt die Magie eher auf der Strasse und wird kommentiert von einem offensichtlich reichen und privilegierten, gebildeten Paar.

Michael Omonua (Segment ‚Love Potion‘)

Im dritten Segment fühlt sich dann auch der grundgebildete Westler wieder besser verankert. Denn Suffer the Witch zeigt die Nöte einer Studentin, die annehmen muss, dass ihre beste Freundin allenfalls eine Hexe sein könnte. Weil sie immer alles früher weiss, weil sie beiläufig spöttisch sein kann, und weil sie sich ihrer möglichen Eifersucht wegen allenfalls zu dessen magischer Tötung via Autounfall entschlossen hat.

Die Formulierung der jungen Frau ist durchaus akademisch: Kann es sein, dass Joy wirklich eine Hexe ist, auch wenn das Gerede der anderen so klingt, als ob es sich um den gleichen alten misogynen Standardvorwurf handelt?

Die drei Kurzfilme überzeichnen, setzen auf theatralische Gestik und Mimik, was zusätzlich zur Verunsicherung beiträgt: Ist das kulturell codiert oder einfach overacting von Laiendarstellern?

Insofern haben diese Juju Stories durchaus eine magische Wirkungskraft, auch und gerade wenn einem die Hintergründe wenig vertraut sind.

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