ARDENTE-X-S von Patrick Muroni

Das Gründungsteam der Lausanner OIL-Produktion für alternative Pornos © Climage

OIL Productions, gegründet in Lausanne, produziert «dissidente, ethische» Pornofilme. Wichtig sei dabei nicht eigentlich die «boîte», also die Firma. Sondern das Manifest, das die GründerInnen sich gegeben haben.

Ob das nun drei oder vier Sätze umfasst, können sie selbst meist nicht so genau sagen. Aber was ihnen wichtig ist dabei, um so eloquenter.

Vor allem Melanie, die ihren Geldjob als Verkäuferin in einem Laden für Käsespezialitäten liebt, versteht es grossartig, die Freude und die Lust am angst- und unterdrückungsfreien Pornodreh zu vermitteln.

Die queere Frau hat zusammen mit ihren FreundInnen und das Projekt gegründet, drei von ihnen erklären im Verlauf des Films sehr einleuchtend, was sie daran reizt und worin ihre Befreiung liegt.

Der ECAL-Abgänger Patrick Muroni hat für seinen ersten Langdok ein perfektes Vertrauens- und Freundschaftsverhältnis zu seinen ProtagonistInnen aufgebaut. Im Prinzip folgt wohl auch Ardente-x-s dem Manifest von Oil: Safe Space ist der zentrale Begriff, absolutes Vertrauen und Rücksichtnahme bei jeder Handlung, jedem Versuch, jedem Dreh.

Das teilt sich in diesem ansteckend fröhlichen, positiven, aufbauenden Dokumentarfilm immer dann mit, wenn darüber geredet wird, was die Absichten sind, die Wünsche, die Reaktionen und die Erlebnisse auch, etwa bei Vorführungen an spezialisierten Anlässen in Berlin.

Oder bei Melanies Auftritt in der Westschweizer Fernsehrunde von «Infrarouge».

© Climage

Die Experimentierfreude und die Lust vermitteln sich auch bei den expliziten Drehs, die Muroni mit seinem Filmteam dokumentiert. Insbesondere bei Aussenaufnahmen in Italien, die zugleich so etwas wie eine Abschiedsreise für die GründerInnen sind. Da wird eine Bondage-Szene an einem Baum in lauschiger Wiese zum fröhlichen Happening, ebenso wie ein fröhliches Pissritual über die Windschutzscheibe des knallgelben VW-Transporters.

Viel weniger einfach zu vermitteln ist dagegen, was diese Pornos und Happenings, Performances und Dreharbeiten schliesslich beim Publikum auslösen können oder sollen.

Das liegt natürlich einerseits daran, dass die Grundkonstellationen des klassischen Pornos, Dominanz und Unterwerfung, Verfügbarkeit der Körper und das Spiel mit klaren Machtverhältnissen in diesen OIL-Productions tatsächlich entfällt.

© Climage

Was zu sehen ist, sind ritualisierte Inszenierungen, welche auch Dominanzgesten wie Peitschen, Bondage oder Penetration mit völliger Selbstverständlichkeit als gleichberechtigt und einvernehmlich zeigen. Damit entfällt allerdings jegliche Personenbeziehung, die handelnden und die passiven Figuren bekommen keine weitere Dimension, keine Persönlichkeit. Die dargestellte, demonstrative Lust ist eine Abstraktion, die sich mitteilt oder eben nicht.

Wie das auch anders funktionieren könnte, erklärt Melanie ganz nebenbei, als sie ihren beiden Freundinnen erzählt, wie sie fröhliche Spatzen im Gebüsch beobachtet habe und beim Gedanken daran, dass zwei von denen hinter den schützenden Blättern gerade am Vögeln seien, selber zum spontanen Orgasmus gekommen sei.

Dieser indirekte Rapport öffnet mehr erotischen Gedankenraum als jede sichtbar gefilmte Handlung.

Ardente-x-s ist ein ausgesprochen gelungener Dokumentarfilm, weil er nachvollziehbar vermittelt, was die Gruppe sucht, was sie vermeiden will und wie sie das angehen. Und weil ihre positive Fröhlichkeit, die Offenheit gleichzeitig vermittelt, dass sie ihre Ziele offensichtlich auch immer wieder erreichen und den Missionsgedanken dahinter auch vermitteln können.

Wer mehr erwartet von dem Film, nämlich den autonomen Nachvollzug der Lusterfahrungen, ist möglicherweise mitten in einem durchaus erwünschten Erkenntnisprozess.

Kommentar verfassen