EO von Jerzy Skolimowski

© Skopia Film

Als Kinder hatten wir ein Fotobilderbuch, das wir sehr liebten. «Mein Esel Benjamin» erzählte in schwarzweissen Fotografien von einem kleinen Mädchen und, klar, seinem Esel.

Nun hat der 84jährige polnische Regisseur einen Film gemacht, der anfängt, als wolle er da ansetzen, wo Benjamins Geschichte einst endete.

© Skopia Film

EO, der Iahh-Esel des Filmtitels, spielt in den ersten Einstellungen des Films «toter Esel» in der Zirkusmanege. Seine Trainerin Kasandra (Sandra Drzymalska) startet im roten Licht der Scheinwerfer die Wiederbelebung, bis EO unter Applaus des Publikums aufspringt.

Bald darauf wird er von einem groben Zirkusmitarbeiter vor einen Wagen gespannt, um Altmetall zum Schrottplatz zu fahren. Und da der Esel nicht möchte, wird er gepeitscht und getreten, bis Kasandra eingreift.

Das kann sie allerdings nicht mehr lange, denn alle Zirkustiere werden gepfändet und verkauft. Eo kommt zunächst als Therapie-Esel auf einen schönen Hof, um dort Kinder zu beruhigen. Nach nächtlichen Besuch von der betrunkenen Kasandra reisst Eo allerdings aus und trabt die Strasse entlang, bis er von einem Auto erschreckt in den Wald flüchtet.

Da trifft er auf Fuchs und Uhu, Wasserläufte und schliesslich Wölfe, die von Jägern mit Laser-Zielgeräten niedergestreckt werden.

Eo trabt von Ort zu Ort, wird gefangen, befreit, misshandelt. Er entkommt und kommt weit herum, bis zu einer von Isabelle Huppert gespielten italienischen Gräfin. Und schliesslich endet der Film mit dem Geräusch eines Bolzenschussgerätes und einer Schwarzblende.

Hier zum Vergleich noch der Original-Esel: ‚Au hasard Balthazar‘ von Robert Bresson (1966)

Es ist ein bizarres tierisches Roadmovie, das Skolimowski mit viel Gestaltungswillen und Kameraaufwand gedreht hat. Eine Reise durch das moderne Europa vielleicht. Ein PETA-Werbespot gegen Tiermissbrauch vielleicht. Und statt Isabelle Huppert hätte sich auch Brigitte Bardot da ganz gut gemacht.

Aber es fällt schwer, da dauernd den geforderten Ernst aufzubringen. Zumal Skolimowski die Seele der geschundenen tierischen Kreaturen immer wieder via Grossaufnahme in deren Augen sucht und beim Esel auch schon mal eine Träne herausquillt.

Für einen Kinderfilm ist EO zu bizarr, zu grausam. Für eine filmische Metapher zu unreflektiert sentimental im Umgang mit den Tieren. Und für ein befriedigendes Kinoerlebnis trotz grossartiger Einstellungen einfach nicht so ganz überzeugend.

Jerzy Skolimowski © Skopia Film

2 Antworten auf „EO von Jerzy Skolimowski“

  1. Lieber Herr Sennhauser,
    So genau wie sie den Film beschreiben (Spoiler), von Anfang bis Ende erzählen, macht das nach der Lektüre gar keinen Spass mehr, ihn im Kino überhaupt zu entdecken.
    Zum Glück ist das Werk bei einer Erstvision eben doch herausragend und erfrischend anders, etwas sperrig wie ein Esel, als die gängige Kost, die einem in den Arthouse Kinos heute serviert wird. Und ja, ich hatte ein befriedigendes Kinoerlebnis. Sie vielleicht nicht im Cannes-Taumel…

    MfG – SJ

  2. Liebe(r) St.Jundt, erst mal freut es mich grundsätzlich, wenn ein Film jemandem mehr Freude macht als mir. Und natürlich haben sie nicht Unrecht: An einem Festival wie Cannes steigern sich die schnellen Urteile nur schon aufgrund der Filmkadenz. Was das „spoilern“ angeht: Ich bemühe mich in der Regel, keine Spannungsgeheimnisse auszuplaudern. Aber Handlungselemente sind oft nötig für Argumente. Und Kinofilme unterscheiden sich von Serien ja gerade dadurch, dass ihre ästhetische Bauweise ihre Halbwertszeit steigert. Ich habe noch keine Serie zweimal geschaut. Aber hunderte von Filmen immer wieder.

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